Rund 60 interessierte Teilnehmer waren der Einladung des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer Ost (VDMA Ost) und des Verbands Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (VDWF) zum Anwenderforum Werkzeug- und Formenbau in die Stadthalle nach Chemnitz gefolgt.

Rund 60 interessierte Teilnehmer waren der Einladung des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer Ost (VDMA Ost) und des Verbands Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (VDWF) zum Anwenderforum Werkzeug- und Formenbau in die Stadthalle nach Chemnitz gefolgt. (Bild: werkzeug&formenbau)

Für Forschung und Entwicklung bleibt vielen Werkzeug- und Formenbauern im Tagesgeschäft keine Zeit. Und ein Budget ist für eigene Entwicklungsaktivitäten in der Regel auch nicht vorhanden. Für eine Branche, die weltweit für höchste Qualität, vor allem aber auch für ihre Innovationskraft bekannt ist, eine gefährliche Entwicklung: „Der deutsche Werkzeug- und Formenbau ist eine Marke, die speziell im Ausland für Zuverlässigkeit, Präzision, Produktivität, aber auch für Werte wie Termintreue und für maßgeschneiderte, optimierte Lösungen steht“, erklärte Professor Thomas Seul, Präsident des VDWF. „Diese Stellung als Marke hilft der Branche, gerade auch bei Aufträgen aus dem Ausland – das Bewusstsein für diese Marke ist indes in den Betrieben kaum vorhanden.“

Gerade angesichts der momentan guten Auftragslage ist es wichtig, die Weichen in Richtung Zukunft zu stellen, sich entsprechend Alleinstellungsmerkmale zu schaffen und – im Idealfall auchthomas_seul_vdwf gemeinsam mit anderen Unternehmen – die eigenen Stärken weiter zu entwickeln. Hier spielen die Mitarbeiter eine große Rolle. Sie sind die Träger der Fähigkeiten und Fertigkeiten, die einen Werkzeugbau ausmachen.

Marco Schülken vom VDMA Ost gab einen detaillierten Einblick in die aktuelle konjunkturelle Lage der deutschen Werkzeug- und Formenindustrie. Die Branche, die rund 5000 Unternehmen und Betriebsteile umfasst, beschäftigt rund 30 000 Mitarbeiter. Die Wertschöpfung lag im vergangenen Jahr bei rund 4 Mrd. Euro. „Für 2014 erwarten wir sogar 4,4 Mrd. Euro“, berichtete Schülken. „Import und Export von Werkzeugen halten sich in Deutschland in etwa die Waage.“

Das sagt die Redaktion

Fit für die Zukunft

Auch wenn der Auftragsbestand derzeit sehr gut ist – es ist wichtig, sein Unternehmen fit zu machen für die Zukunft. Das bedeutet auch, sich auf seine Stärken zu besinnen und sie entsprechend auszubauen. Ein wichtiger Faktor in jeder erfolgreichen Unternehmensstrategie sind die Mitarbeiter – mit ihrem Know-how machen sie die Einzigartigkeit eines Unternehmens aus. Neben systematischer Weiterbildung ist es daher wichtig, Freiräume für den Blick über den Tellerrand des Alltagsgeschäfts hinaus zu schaffen. Eine Veranstaltung wie das Anwenderforum von VDWF und VDMA Ost kann neue Impulse setzen, die dem eigenen Unternehmen als Ganzes guttun.
Richard Pergler

marco_schuelken_vdmaEine Gefahr sieht er durchaus in der aktuellen weltpolitischen Entwicklung: „Man hat manchmal den Eindruck, dass die Politik oft nicht weiß, was sie mit ihren Entscheidungen anrichtet – und es auch gar nicht wissen will“, konstatiert Schülken. „Viele Werkzeug- und Formenbauer haben sehr gute Geschäftsbeziehungen nach Russland, die Projekte liegen im Moment aber auf Eis – die russischen Unternehmen können sich bei den Banken kein Geld mehr beschaffen. Das gefährdet Arbeitsplätze und ganze Betriebe in unserer Branche. Nur sind wir offenbar zu klein und zu leise, um die Aufmerksamkeit der Politik für diese Herausforderung zu wecken.“

Gegen den Strom zu schwimmen – dazu ermunterte Lars Zimmermann (kommunikationsoptimierer.de, Salzgitter) die Teilnehmer. „Dick Fosbury stieß als Hochspringer mit den bis dahin lars_zimmermann_kommuniktionsoptimiererbekannten Sprungtechniken an Grenzen“, erklärte er. „So entwickelte er etwas völlig Neues – den Fosbury-Flop, mit dem er bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko Gold gewann.“ Zimmermann ermutigte zum „Regelbruch“, dazu, Althergebrachtes neu zu überdenken. „Gerade auch in der Kommunikation mit dem Kunden“, betonte er. „Wir fragen meist sehr direkt, was unser Gegenüber will – und ziehen dann eine mehr oder weniger passende Lösung aus der Schublade.“ Dabei wird die Chance vergeben, eine wirklich optimale Lösung zu finden – oft bleibt dabei im Dunkeln, aus welchen Beweggründen Kunden etwas tun. „Die wirklichen Bedürfnisse werden deshalb oft nicht berücksichtigt“, weiß Zimmermann. „Wer es lernt, zu verstehen, was seine Kunden im Kern antreibt, kann sich daher einen entscheidenden Vorsprung in der Interaktion mit den Kunden und im Wettbewerb um Aufträge erarbeiten.“

Standards schaffen Effizienz

gerhard_kramme_meusburgerÜber effiziente Werkzeugkonzepte aufgrund von Standardisierung sprach Gerhard Krammel vom Normalienhersteller Georg Meusburger (Wolfurt, Österreich). Für Effizienzsteigerungen gibt es hier verschiedene Ansätze: „Schaffen Sie Qualitätsstandards, erstellen Sie Konstruktionsrichtlinien, reduzieren Sie die Vielfalt an verwendeten Komponenten, erstellen Sie Bearbeitungsrichtlinien, sorgen Sie für standardisierte Abläufe und greifen Sie auf standardisierte Bauteile zurück“, forderte der Normalienspezialist. Die Einführung von Standards bringt eine Reihe von Vorteilen – Durchlaufzeiten werden kürzer, die Rüstzeiten lassen sich mit standardisierten Aufspannungen reduzieren, die Kommunikation im Betrieb wird einfacher. „Vor allem aber bleibt dem Werkzeugbauer mehr Zeit für echte Kreativität, um den eigentlichen Knackpunkt eines Werkzeugs intensiv auszuarbeiten und zu verbessern“, erklärte Krammel. „So können Werkzeugbauer und Kunden gleichermaßen profitieren.“

Trends µ-genau

Vernetzung der Akteure

Das Anwenderforum, das bereits zum zweiten Mal gemeinsam von VDWF und VDMA Ost ausgerichtet wurde, verdeutlicht, dass eine engere Zusammenarbeit der Akteure in der Branche nicht zuletzt auch für eine breitere öffentliche Wahrnehmung erforderlich ist – gemessen an seiner Bedeutung für die Industrie ist die Schlüsselbranche Werkzeug- und Formenbau in der Öffentlichkeit kaum präsent. Was für einzelne Unternehmen gilt, ist auch im Umgang der Netzwerke in der Branche miteinander wichtig: Gemeinsam lässt sich mehr erreichen.

Innovative Werkzeugtechnik für Magnesiumbauteile ist einer der Schwerpunkte der Siebenwurst-Gruppe. „Magnesium hat das höchste Leichtbaupotenzial aller metallischen Konstruktionswerkstoffe“, erläuterte Jörg Leichtkauf vom joerg_leichtkauf_siebenwurstSiebenwurst Werkzeugbau. „Allerdings bringt die Verarbeitung auch einige Herausforderungen mit sich.“ So ist Magnesium aufgrund seiner hexagonalen Kristallstruktur in kaltem Zustand nur sehr schwer umformbar, erst oberhalb von 225 °C werden pyramidale Gleitsysteme im Werkstoff aktiviert. „Das bedeutet unter anderem eine hohe Anforderung an die Temperaturregelung im Werkzeug“, ergänzt Leihkauf. Verschiedene Projekte, die unter anderem unterschiedliche Verfahren in einem Werkzeug kombinieren, verschaffen dem Unternehmen einen Vorsprung bei Schlüsselkomponenten in der Automobilindustrie.

wolfgang_boos_wbaHochqualifizierte Mitarbeiter sind die wertvollste Ressource gerade in einer know-how-getriebenen Branche wie dem Werkzeug- und Formenbau. Welche Bedeutung zielgerichtete Weiterbildung für den Fortbestand eines Unternehmens bedeutet, verdeutlichte Wolfgang Boos, Geschäftsführer der WBA Aachener Werkzeugbau Akademie. Alarmierend ist ein Blick auf die Demographie: „Lag das Durchschnittsalter der Mitarbeiter in den von uns untersuchten Werkzeugbauunternehmen im Jahr 2005 noch bei 37,5 Jahren, ist es 2013 bereits auf 40 Jahre angestiegen“, verdeutlichte Boos die Problematik. „Parallel dazu sank die Ausbildungsquote von 16,5 auf weniger als 10 Prozent.“ Überalterung und sinkende Ausbildungsquote sind zunehmende Herausforderungen für die Branche. Boos stellte das Angebot der WBA vor, das sich exakt an die Bedürfnisse der unterschiedlichen Mitarbeiter anpassen und zu einem strukturierten, in sich stimmigen individuellen Konzept ausbauen lässt – von einzelnen thematisch relevanten Modulen bis hin zum kompletten Masterstudiengang werden branchenspezifische Inhalte anwendungsgerecht vermittelt.

Durchläufe beschleunigen

Was die passende Software zu höherer Produktivität und Flexibilität im Unternehmen beitragen kann, erläuterten Alexander Hoffmann von ARC Solutions, Chemnitz, und Helmut Zeyn von Siemens Industry Software in Hamburg. So kommt alexander_hofmann_arces nach Meinung der Experten unter anderem darauf an, Durchläufe zu beschleunigen, Kosten zu steuern und die Qualität im Griff zu behalten. Das alles erfordert eine hohe Datendurchgängigkeit – hier gibt es in vielen Unternehmen noch enormes Potenzial, da Daten in vielen Vorgängen nach wie vor manuell erfasst oder übertragen werden. Hier zeigte der Vortrag die Möglichkeiten, mit PLM-Software Daten und Know-how im Unternehmen aktuell verfügbar zu halten.

johannes_burkart_menatworkAn Beispielen aus der Konstruktionspraxis zeigten Peter Haumayr und Johannes Burkhart vom Bietigheimer Systemhaus Men at Work das Zusammenspiel von CAD und Umformsimulation. Die Programmpakete Visi (CAD) und Stampack (Simulation) ermöglichen in Kombination dem Anwender eine klare Entscheidungshilfe bei der Auslegung kritischer Bauteile. „So lassen sich unter anderem Prototypwerkzeuge und Korrekturschleifen einsparen“, berichtete Burkhart anhand eines konkreten Bauteils. „Vor allem aber lassen sich so von vornherein sichere Ergebnisse erzielen.“

Mit einem lebendigen, mit zahlreichen persönlichen Anekdoten gespickten Vortrag setzte Rainer Pohl von Makino Europe, Hamburg, einen Impuls zu neuen Lösungen für zukunftsweisende rainer_pohl_makinoProzessstrategien beim Drahterodieren. Ausgehend von der erodiergerechten Konstruktion über Standardisierung, die richtige Drahtauswahl, die Datendurchgängigkeit und die Nutzung der Autonomie leistungsfähiger Drahterodieranlagen erläuterte er Potenziale und Möglichkeiten der Technologie speziell im Stanzwerkzeugbau. Pohl zeigte die Vor- und Nachteile des Erodierens im Wasser- und im Ölbad. „Das Drahterodieren ist auch in Zukunft eine Schlüsseltechnologie in der Branche Werkzeug- und Formenbau“, zog er sein Resümee. „Die Anlagen werden noch einfacher in Bedienung und Anwendung.“ Allerdings werden auch andere Technologien interessant und treten in Konkurrenz zum Erodieren – beispielsweise das Fräsen auch von sehr harten Werkstoffen.

Das Anwenderforum Werkzeug- und Formenbau gab den Teilnehmern Impulse, im Spannungsfeld zwischen Produktivität und Flexibilität einerseits sowie Kostendruck und Kundenwunsch andererseits die Weichen richtig zu stellen – insbesondere vor dem wachsenden weltweiten Wettbewerb.

Kontakt:

  • Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA-Ost, www.ost.vdma.org
  • Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (VDWF), www.vdwf.de

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