Augustin Niavas, EOS

"Es ist wichtig, sich von gewohnten Denkweisen zu lösen und Design-Richtlinien für die additive Fertigung stringent anzuwenden.", Augustin Niavas, EOS GmbH Electro Optical Systems

Herr Niavas, werden Werkzeug-, Formen- und Modellbauer aufgrund der additiven Technologien irgendwann überflüssig?
Augustin Niavas: Aus unserer Sicht ist die additive Fertigung eine Chance für Werkzeugbauer, ihr Angebot weiter zu verbessen. So können sie etwa Werkzeugkerne mit konturnaher Kühlung produzieren und ihren Kunden einen klaren Mehrwert bieten. Der steigende Kundenwunsch, von Vorteilen additiver Fertigung zu profitieren, wird die Notwendigkeit für Werkzeugbauer, die Technologie einzusetzen, weiter erhöhen. Werkzeugbauer sollten sich daher bereits jetzt mit dieser Thematik auseinandersetzen.

Werden additive Technologien die klassische Fertigung ersetzen?
Augustin Niavas: Die additive Fertigung ist in der industriellen Fertigung angekommen. Es geht nicht darum, mit additiver die konventionelle Fertigung zu ersetzen – letztlich kommt es immer auf die Anwendung an. Es wird sicher auch Produktionsumgebungen geben, die additiv dominiert sein können. In der Regel geht es jedoch darum, die additive Fertigung in bereits existierende, meist konventionell dominierte Fertigungsumgebungen zu integrieren. Wir wollen mit unseren Anwendern das Beste aus beiden Welten kombinieren und echten Mehrwert daraus generieren.

Welche Bedeutung haben die additiven Technologien für den Bereich des Werkzeug-, Formen- und Modellbaus?
Augustin Niavas: Die additive Fertigung bietet große Vorteile für den Werkzeugbau: Sie ermöglicht das Herstellen von Einzelteilen oder individualisierten Serienprodukten auch in geringen Losgrößen – schnell, kosteneffizient und flexibel. Selbst hochkomplexe Formen und Konstruktionen mit integrierten Kühl- oder Temperierkanälen sind kein Problem.

Additive Technologien werden heute zunehmend für den Consumermarkt propagiert. Eine Gefahr für die Profis?
Augustin Niavas: Das Thema 3D-Druck im Allgemeinen hat inzwischen ein breites Publikum erreicht. Das hat auch dazu geführt, dass sich mehr Menschen in der Industrie mit dem Thema beschäftigen. Dabei muss man klar zwischen den beiden Arten von „3D-Druckern“ unterscheiden: Während Consumer-3D-Drucker „für den Hausgebrauch“ geeignet sind, handelt es sich bei Lösungen, wie EOS sie anbietet, um Systeme für industrielle Anwendungen. Beide Systeme haben ihre Berechtigung, die Märkte, die sie bedienen, sind jedoch völlig unterschiedlich.

Wie beeinflussen additive Technologien diese Bereiche?
Augustin Niavas: Um die Vorteile der additiven Fertigung auszuschöpfen, bedarf es spezialisierter Konstrukteure, die entsprechende Design-Richtlinien beachten. Die konstruktiven Vorteile der additiven Fertigung steigern die Produktivität der Werkzeuge und die Qualität der Spritzlinge. Ausschussquote und Stückkosten sinken. Darüber hinaus profitieren Hersteller von verkürzten Produktionszyklen und längeren Standzeiten der Werkzeuge. Zudem können sie ihre Produkte schneller auf den Markt bringen. So konnte etwa das Unternehmen Innomia die Vorlaufzeit („Time-to-market“) in einem Werkzeugoptimierungsprojekt mit additiver Fertigung von 18 auf 13 Tage senken. Und auch für den Wirtschaftsstandort Europa ist die additive Fertigung eine Chance, die Produktion zurückzuholen.

Wie entwickeln sich additive Technologien für die Serienfertigung?
Augustin Niavas: Die Technologie der additiven Fertigung fand ursprünglich im Rapid Prototyping Verwendung. Mittlerweile hält die Additive Fertigung zunehmend Einzug in die Serie. Ein Beispiel ist die Dentalbranche, wo die additive Fertigung zur Herstellung von Kronen und Brücken bereits seit 2005 verfügbar ist. Mit mehr als 100 installierten EOS-Systemen weltweit ist es die am weitesten verbreitete Lösung im Markt. Auch die Luft- und Raumfahrt ist ein zentraler Wachstumsmarkt für die additive Fertigung.

Welche neuen Qualifikationen sind notwendig?
Augustin Niavas: Die Herausforderungen für Unternehmen generell bei der Einführung additiver Fertigung ist, dass sie besonders zu Beginn noch von konventionellen Fertigungsverfahren getrieben sind: Bauteile werden wie gehabt konstruiert und nicht auf den Prozess der additiven Fertigung optimiert. So kann sich der Mehrwert der Technologie nicht vollständig entfalten. Hier ist es wichtig, sich von gewohnten Denkweisen zu lösen und Designrichtlinien für die additive Fertigung stringent anzuwenden. Die additive Fertigung liefert viele Freiheiten – Anwender müssen sich darauf einlassen und offen sein für die neue Technologie.

Wo stehen derzeit in dieser Branche Anlagen von EOS?
Augustin Niavas: Ein Beispiel ist das Unternehmen Fado aus dem Bereich Werkzeug und Spritzguss mit Sitz in Bydgoszcz, Polen. Fado ist offizieller Dienstleister von EOS für DMLS-Technologie. Die EOS-Additive-Manufacturing-Technologie ermöglicht Fado etwa die Herstellung von Spritzgießwerkzeugen mit konturnaher Kühlung. Das reduziert die Zykluszeit um durchschnittlich 30 Prozent und verbessert generell die Spritzteilequalität.

Wo geht die Entwicklung der additiven Technologien hin?
Augustin Niavas: Prinzipiell gehen wir im Werkzeugbau von einer weiter steigenden Anzahl an Fertigungsentwicklungen im Metallbereich aus. In den nächsten Jahren geht es um die Weiterentwicklung folgender Themen: Erweiterung des verfügbaren Werkstoffportfolios, Steigerung der Produktivität der Systeme sowie steigende Bauraumgrößen. All dies wird dann auch neue Anwendungen im Werkzeugbau für unsere Technologie erschließen. Ein weiteres Schlüsselwort ist die Integration unserer Systeme in bestehende konventionelle Prozessketten. Unternehmen sind nicht mehr auf der Suche nach Stand-Alone-Systemen, sondern nach kombinierten und umfassenden Lösungen.

Wie sieht EOS die Werkzeug-, Formen- und Modellbaubranche?
Augustin Niavas: Der Werkzeugbau ist eine wichtige Industrie für uns. Und unsere Technologie wird langsam auch in diesem Bereich akzeptiert. In einem nächsten Schritt geht es um die Integration der additiven Fertigung in die Produktion. Hier ist unsere strategische Kooperation mit GF Machining Solutions ein erster und logischer Schritt. Allerdings sehen wir trotz genereller Akzeptanz im Werkzeugbau große regionale Unterschiede. So gibt es Regionen, in denen der Werkzeugbau die Technologie mittlerweile schon sehr gut adaptiert hat, in anderen Regionen stehen wir dagegen noch sehr am Anfang. Man muss auch unterscheiden danach, mit wem man es zu tun hat. Spricht man mit einem Werkzeugbauer, der Zulieferer der großen OEMs ist, berücksichtigen hier immer mehr Unternehmen die Vorteile der Technologie mittlerweile schon optimal für ihr eigenes Geschäftsmodell. Spricht man mit OEMs, die den Werkzeugbau selber im Haus haben, so zeigen diese häufig eine sehr große Offenheit für die Technologie. Insgesamt kann man sagen, dass mit steigendem Verständnis für die Vorteile der Technologie auch die Offenheit steigt.

Worum geht es bei der Kooperation mit GF Machining Solutions?
Augustin Niavas: Ziel ist, Anwendern in der Kombination der Technologien von GF Machining Solutions und EOS innovative Lösungen anzubieten. Gemeinsam planen wir, exklusive Lösungen für Formenbauer zu entwickeln. In diesem Markt hat GF dank seiner EDM-Anlagen, HSC-Fräsmaschinen und Automatisierungstechnologien eine führende Stellung. EOS bringt seine additive Kompetenz ein. GF und EOS werden die additiven Fertigungsanlagen in den Produktionsprozess für Formeneinsätze integrieren, einschließlich Software- und Automatisierungsschnittstellen zu nachgelagerten Werkzeugmaschinen und Messanlagen.

Wo kann er sich bei den ersten Schritten Rat und Hilfe holen?
Augustin Niavas: Anwender, die anfangen, sich mit der Technologie der additiven Fertigung zu beschäftigen, nehmen oft die Consulting- und Trainingsleistungen unseres Bereichs AM Consulting in Anspruch. Darüber hinaus gibt es etwa Trainings im Bereich Konstruktionsrichtlinien für die Konstruktion konturnaher Kühlkanäle sowie rund um unsere Technologie, die nicht spezifisch auf den Werkzeugbau ausgerichtet sind. Hier geht es um die Themen System, Parameter und weiterführende Themen. Auch unsere Website www.eos.info bietet einen guten Überblick.

Welche Möglichkeiten gibt es sonst noch?
Augustin Niavas: EOS verfügt über ein umfassendes Dienstleisternetzwerk, darunter Spezialisten aus dem Werkzeugbau, die EOS-Systeme einsetzen. Viele Endanwender nutzen diese Laser-Sinter-Dienstleistungen, um einen Zugang zu unserer Technologie zu erhalten. So kann ein Werkzeugbauer beispielsweise über den Dienstleister gefertigte Werkzeugeinsätze testen, bevor er sich entscheidet, ein eigenes EOS-System anzuschaffen.

Sie möchten gerne weiterlesen?