Innovation als Motor

Werkzeugbau nach Spielregeln der Großserienfertigung – das ist heute in größeren Werkzeugbauten eine notwendige Selbstverständlichkeit. In der Kategorie „Interner Werkzeugbau über 100 Mitarbeiter“ haben Sieger Audi mit seinem synchronen Werkzeugbau und Finalist ZF Sachs mit seinem ausgeklügelten Konzept aus Zuglinien-System und Taktfertigung diesen Schritt längst vollzogen. Dass dabei Kreativität und Innovationskraft keinesfalls auf der Strecke bleiben müssen, beweisen die Mitarbeiter in beiden Unternehmen täglich aufs Neue.

Schon zum dritten Mal Gesamtsieger
Bereits zum dritten Mal konnte der Audi Werkzeugbau außer dem Kategoriesieg auch den Gesamtsieg des Wettbewerbs „Excellence in Production“ erringen – diesmal als Sparte aller Audi-Werkzeugbauten weltweit: Der Audi Werkzeugbau, der im Verbund des Volkswagen-Konzerns als „Center of Excellence“ agiert, hat neben seinem Hauptsitz in Ingolstadt auch Standorte in Neckarsulm, Györ (Ungarn), Barcelona (Spanien) und Beijing (China).

Aus- und Weiterbildung hat einen hohen Stellenwert – allein in Ingolstadt laufen ständig rund 70 bis 80 Auszubildende im Werkzeugbau mit. Motivierend für sie ist dabei durchaus, dass sie über weite Strecken wertschöpfend arbeiten können und an der Produktion aktueller Werkzeuge und Anlagen direkt beteiligt sind.

Innovation hat bei Audi System – im Werkzeugbau kümmert sich ein eigenes Team aus rund 40 Mitarbeitern um Forschung und Entwicklung. „Diese Experten sind eng in die Prozesse und Abläufe im Werkzeugbau und darüber hinaus eingebunden – sie haben die Aufgabe, Optimierungspotenzial zu erkennen, entsprechende Lösungen und Verbesserungen zu entwickeln und gemeinsam mit den Betroffenen im jeweiligen Bereich umzusetzen“, erklärt Michael Breme, Leiter der Sparte Werkzeugbau bei Audi.

Um Innovation kümmert sich ein eigenes Team mit 40 Mitarbeitern
So entstand in jüngster Vergangenheit beispielsweise eine vollautomatische Roboterzelle für das Laserhärten und -auftragschweißen, in der unter anderem Material sehr definiert aufgebracht, vermessen und im mit der Zelle verketteten Bearbeitungszentrum automatisch auf Endkontur gebracht wird.

Ein weiteres Projekt ist das „Intelligente Werkzeug“, das mittels Sensorik den Umformprozess exakt überwacht und bei Bedarf über eine Stellmechanik einer eventuellen Abweichung entgegensteuert – eigenständig und völlig unabhängig von der Presse und ihrer Steuerung.

Zuglinien-System und Taktfertigung

Mit einem ausgeklügelten Konzept aus Zuglinien-System und Taktfertigung werden höchst unterschiedliche Werkzeuge im Werkzeug- und Prüfmittelbau bei ZF Friedrichshafen in Schweinfurt erstellt.

Leichtbau-Pionier Audi hat vor Jahrzehnten erstmals Aluminium als dominierenden Werkstoff wirtschaftlich in der Großserie eingesetzt. „Das ist für uns aber kein Dogma“, betont Breme. „Ob Stahl, Alu oder Faserverbundwerkstoffe – für Audi gilt: Wir setzen das richtige Material für den richtigen Zweck ein. Und entwickeln entsprechend die passenden Werkezuge.“ So haben sich die Ingolstädter inzwischen beispielsweise im Bereich RTM-Werkzeuge für Außenhautteile ein exzellentes Know-how erarbeitet.

Neben der hohen Innovationskraft zeichnet die Werkzeugbauer bei Audi auch der konsequent gelebte Prozessgedanke aus. „Störungen in der Produktion sind unter allen Umständen zu vermeiden – die Ressourcen dort müssen optimal genutzt werden“, erläutert Breme. „Das bedeutet, dass wir im Entstehungsprozess neuer Fahrzeugmodelle ganz früh eingebunden sind. Wir unterziehen unsere Werkzeuge entsprechend umfangreichen Überprüfungen, bevor sie den Werkzeugbau verlassen.“

Das erfordert ein ausgeklügeltes, umfassendes Tryout. Konsequent werden Simulationen genutzt, aber auch die Pressenkapazität im Tryout wird kontinuierlich ausgeweitet. Derzeit werden etwa zwei große mechanische und zwei hydraulische Pressen am Standort Ingolstadt beschafft, das Tryout-Center in Barcelona wird erweitert, und auch am Standort Györ wird weiter in Tryout-Kapazitäten inverstiert.

Konsequenter Prozessgedanke
Ein umfassend umgesetzter Prozessgedanke bedeutet aber auch, dass beispielsweise der Meister aus dem Tryout auch bei der Methodenabnahme mitwirkt. Auch sonst wird stringent geplant: „Es kommt kein Serienguss mehr ins Haus, wenn nicht schon von vornherein alles abgesichert ist“, betont Breme. Die Takt-Philosophie wurde auch im Tryout umgesetzt. „Mit der durchgängigen Umsetzung dieser Philosophie haben wir die Zahl der Korrekturschleifen drastisch reduzieren können“, erklärt der Leiter Sparte Werkzeugbau. „Unsere Maxime ist, konsequent in vier Schleifen zur Qualität zu kommen. Und das schaffen wir auch zuverlässig.“

Einen hohen Qualitätslevel zuverlässig einzuhalten – das ist auch die Maxime im Werkzeugbau bei ZF Friedrichshafen in Schweinfurt. „Deshalb laufen bei uns über 90 Prozent aller Aufträge synchronisiert“, betont der dortige Leiter Werkzeugbau, Herbert Johann. Ein relativ großer Anteil der Aufträge lässt sich sehr langfristig planen und besteht aus immer wiederkehrenden ähnlichen Technologien: „Dafür haben wir inzwischen standardisierte Prozesse und Abläufe zu sogenannten Zuglinien zusammengefasst“, erklärt Johann. „Unsere internehm Kunden bestücken diese Linien mit vordefinierten Mengen selbst, die Aufträge werden dann exakt nach Fahrplan abgearbeitet.“ Wie bei der Bahn, nur eben deutlich pünktlicher. „Inzwischen wickeln wir über diese Zuglinien, die wir mit jeweils sechs Zügen betreiben, rund 15 Prozent unseres gesamten Aufkommens ab“, erläutert Johann. „Der Rest unseres synchronisierten Volumens wird getaktet.“

Lieferanten und AV sind eingebunden
Dabei sind die Lieferanten des Werkzeugbaus wie auch die Arbeitsvorbereitung eng in die Prozesse eingebunden. Damit das alles reibungslos ablaufen kann, ist eine sehr hohe Datendurchgängigkeit erforderlich. „Der komplette Workflow läuft bei uns über SAP – von der Bestellung unserer Kunden bis zu Tryout und Werkzeugübergabe verlassen wir dieses System nicht“, betont Johann. „Wir schleusen pro Jahr rund 25 000 Aufträge durch unseren Werkzeugbau, die Losgröße liegt im Schnitt bei 1,7.“

Die sehr übersichtlich gestalteten Prozesse sorgen für Transparenz. Rund 1 Mio. Arbeitspläne bilden das Werkstückspektrum ab. „Jeder Arbeitsplan ist bewertet, Kosten und Zeiten sind hinterlegt“, erläutert Johann. „Das ist kein kleiner Aufwand, aber er hat sich gelohnt: So können wir jederzeit fundiert konkrete Aussagen zu Preisen und Lieferzeiten treffen.“

Der Ausbildungsstand der Mitarbeiter – durchwegs Facharbeiter – ist hoch, regelmäßige Aus- und Weiterbildungen sorgen für die Weiterentwicklung der Beschäftigten. „Das muss auch so sein, wir arbeiten durchgängig auf CNC-Maschinen“, betont Johann. „Zudem sind die Mitarbeiter auch für die Qualitätsicherung zuständig – wir brauchen zum Teil Genauigkeiten im 3-µm-Bereich. Das erfordert ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit.“

Auch Schnellschüsse werden erfasst
Damit Unvorhergesehenes die durchdachten Prozesse nicht stört, leistet man sich eine eigene Abteilung mit sieben Facharbeitern. „Die sind mit allen notwendigen Technologien ausgestattet, um etwa schnell Reparaturen oder Änderungen auszuführen“, erklärt Johann. „Anders als bei der getakteten Fertigung steht hier nicht der Durchsatz im Fokus, sondern eine hohe Verfügbarkeit.“ Konsequent wird auch hier die Datendurchgängigkeit beachtet: „Jedes Teil, das durch diese Abteilung läuft, ist konstruktiv erfasst, die Änderungen werden übers CAD/CAM zurückgespielt“, erklärt Johann. „Auch Schnellschüsse und Feuerwehreinsätze sind so komplett dokumentiert.“ Diese Konsequenz zahlt sich aus, speziell dann, wenn es schnell gehen muss: „Wenn etwas Bestehendes geändert wird und es irgenwann wieder zu uns kommt, sparen wir uns sehr viel Zeit, da wir sofort loslegen können“, ergänzt der Werkzeugbau-Leiter. „Das wäre nicht möglich, wenn die Änderungen nicht dokumentiert sind.“

Job-Rotation und Job-Enrichment sorgt in vielen Bereichen dafür, dass der Blick fürs Ganze geschärft wird und Know-how unter den Mitarbeitern weitergegeben wird. Wie in der Serie legt man im Werkzeugbau großen Wert auf Gruppenarbeit zur Prozessverbesserung. „Die Rückmeldungen der Mitarbeiter werden systematisch ausgewertet und in Optimierungen umgesetzt“, erklärt Johann. „Und die werden schließlich Bestandieil eines neuen, verbesserten Standards. So ist sichergestellt, dass wir uns systematisch und kontinuierlich weiterentwickeln.“

Begründungen der Jury

Audi AG, Sparte Werkzeugbau
Die Sparte Werkzeugbau der Audi AG in Ingolstadt produziert das gesamte Spektrum der Betriebsmittel für den Fahrzeugkarosseriebau. 1663 Mitarbeiter und 121 zusätzliche Auszubildende bauen in dem „Center of Excellence“ des Volkswagen-Konzerns unter anderem Presswerkzeuge, Anlagen und Vorrichtungen sowie exklusive Blechteile-Serien. Der als eigenverantwortliches Profitcenter aufgestellte Werkzeugbau begegnet den Forderungen nach höchster Qualität und Präzision wie nach kurzen Durchlaufzeiten und wettbewerbsfähigen Kosten seit 2010 mit einem synchronisierten Produktionssystem. Zur Sicherung der Großserienproduktion ist der Werkzeugbau innerhalb des Konzerns bereits in der Entwicklungsphase eines neuen Fahrzeugs eingebunden.

ZF Friedrichshafen AG, Werkzeug- und Prüfmittelbau
Die ZF Friedrichshafen AG bildet mit weltweit über 17 000 Mitarbeitern den Unternehmensbereich „Antriebs- und Fahrwerkkomponenten“ innerhalb des ZF-Konzerns. Der Werkzeugbau ist mit seinen circa 170 Mitarbeitern und 45 Auszubildenden Competence Center für Schneid- und Umformwerkzeuge des Schweinfurter Unternehmens. Das dazugehörige Werkzeugportfolio umfasst komplexe Stufen-, Folge- und Einzelwerkzeuge sowohl für die Kaltmassivumformung als auch die Blechumformung im Dick- und Dünnblechbereich. Mit der globalen Ausrichtung des Werkzeugbaus werden sowohl die weltweit operierenden Umformwerke unterstützt als auch dortige autarke Werkzeugbauten aufgebaut. Seit etwa einem Jahr wird die Synchronisierung des Werkzeugbaus sukzessive auf die peripheren Bereiche (Konstruktion, AV) ausgeweitet.

Stärkeprofile

Audi AG, Sparte Werkzeugbau

  • fokussiertes Leistungsspektrum bei gleichzeitig breitem Dienstleistungsangebot
  • synchrone Werkzeugfertigung
  • gezielter Simulationseinsatz zur frühzeitigen Methodenevaluierung
  • getakteter Try-Out an besonders realitätsnahen Einarbeitungspressen
  • hohe Liefertermintreue
  • eigene Innovationsabteilung, in der Forschungsteams aus Diplomanden und Doktoranden gezielt an relevanten Forschungsthemen arbeiten

ZF Friedrichshafen AG, Werkzeug- und Prüfmittelbau

  • Umsetzung der Zuglinien und Taktung im Werkzeugbau
  • durchgehende Taktesträne
  • durchgängige Parametrisierung
  • trotz eines heterogenen Teilespektrums nur ein sehr geringer planerischer Aufwand
  • hoher Simulationsanteil mit eigener Simulationsentwicklung
  • Analyse sowie die Dokumentation von Fehlern in einer Fehlerdatenbank
  • geringe Anzahl an Try-Out-Schleifen
  • Serienreife und –übergabe über Qualitätsstufen
  • Aus- und Weiterbildungsstrategie und hohe Ausbildungsquote
  • sehr hoher Anteil an Arbeitsplätzen mit Job Enrichment und Job Rotation

Profil

Audi AGAudi AG, Sparte Werkzeugbau

  • Produkte: Umformwerkzeuge für Automobilkarosserieteile aus Aluminium, verzinktem und hochfestem Stahlblech, komplette Karosseriebauanlagen, Anlagen, Sondermaschinen, Vorrichtungen und anderes
  • Kunden: Audi AG), Volkswagen-Konzern und externe Kunden
  • Standorte: Ingolstadt, Neckarsulm, Györ (Ungarn), Barcelona (Spanien), Beijing (China)
  • Maschinenpark: 6 HSC-Fräsmaschinen, 37 NC-Fräsmaschinen, 14 Klein-Fräsmaschinen, 8 Schleifmaschinen, 3 Erodiermaschinen, 6 Messmaschinen, 9 optische Messsysteme. Steuerungen: Atec, Fidia, Heidenhain, Siemens
  • Software: 240 CAD-Arbeitsplätze, 30 Cam-Plätze, dazu Viewer, Simulation etc.
  • Mitarbeiter: rund 1900
  • Umsatz: rund 600 Mio. Euro
  • Besonderheit: Eigener Anlagen- und Vorrichtungsbau. Vom Werkzeug bis zu den Anlagen kommt alles für den Karosseriebau erforderliche aus einer Hand
  • Kontakt: Audi AG Werkzeugbau, D-85045 Ingolstadt, Tel.: 0841/89-0, www.Audi.com

ZF Friedrichshafen AG, Werkzeug- und Prüfmittelbau

  • Produkte: Anfertigung von Werkzeugsystemen bis hin zur Nachstaffelung von Verschleißteilen für die Bereiche Blechumformung, Warm- und Kaltmassivumformung sowie Prüfmittel der LängenmesstechnikZF Friedrichshafen AG
  • Kunden: ZF-Standorte weltweit
  • Standort: Schweinfurt
  • Maschinenpark: etwa 40 CNC-Maschinen vom Weich- und Hartdrehen über 5-Achs-Fräsen bis Hochgeschwindigkeitsfräsen, Senk- und Drahterodieren, Schleifen, Messtechnik, Montage, Werkzeughärtere, Try Out Presse
  • Software: Umfrom- und Temperatursimulation, ProE, WOP, SAP R/3
  • Mitarbeiter: 170 (plus 45 Auszubildende)
  • Besonderheit: 100 Prozent Facharbeiter-Anteil
  • Kontakt: ZF Friedrichshafen AG, Werkzeug- und Prüfmittelbau, D-97424 Schweinfurt, Tel.: 09721/98-0, www.zf.com

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