Thomas Bergs am Rednerpult

Prof. Thomas Bergs, Juror bei EIP und Direktor WZL der RWTH Aachen und des Fraunhofer IPT, bei der Siegerehrung des Benchmark-Wettbewerbs "Excellence in Production" (kurz: EIP) am 13. November 2019 im Krönungssaal des Aachner Rathauses. - (Bild: werkzeug&formenbau)

Prof. Bergs, seit wann sind sie Juror beim Benchmark-Wettbewerb "Excellence in Production"?

Offiziell erst seit September 2018. Allerdings habe ich den Prozess als Direktor des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen und des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT von Anfang an begleitet. Die Thematik kenne ich seit dem Jahr 1997.

Worauf kommt es Ihnen als Juror bei der Bewertung an?

Mir ist immer wichtig, dass die Unternehmen im Hinblick auf den Technologieeinsatz gut aufgestellt und zukunftsfähig sind. Wenn ich Technologie sage, meine ich natürlich die Fertigungstechnologie. Das muss gut mit den strategischen Zielen zusammenpassen. Da gibt es qualitative Faktoren, die das ganze Thema Ausbildung umfassen. Wie qualifiziere ich meine Leute, um überhaupt in der Lage zu sein, solche Technologien einzusetzen? Oder: Wie sieht die gesamte IT-Infrastruktur dazu aus? Natürlich achte ich genauso wie alle anderen Juroren dann auch auf die betriebswirtschaftlichen Zahlen. Insgesamt legen wir immer großen Wert auf ein gutes Zusammenspiel bei den Juroren.

Aus wie vielen Mitgliedern setzt sich die Jury denn zusammen?

Wir bewerten zu zehnt aus verschiedenen Blickwinkeln. Unsere Jury besteht aus Vertretern aus Wissenschaft, Bundespolitik, Verbänden und Industrie. Wo jemand wie ich, der aus der Fertigungstechnologie kommt, stark technologieorientiert ist, gibt es andere Kollegen, die etwa strategische und betriebswirtschaftliche Themen deutlicher fokussieren. Hier kommt es auf die Mischung an. Und da sind wir ganz gut aufgestellt.

Wie schätzen Sie die diesjährigen Sieger und Finalisten ein?

Grundsätzlich muss immer unterschieden werden, in welchen Marktsegmenten die Unternehmen tätig sind. Wir sehen immer die aktuelle Situation – in der Automobilindustrie, aber auch in anderen Bereichen. Es kann zum Beispiel sein, dass ein Werkzeug- und Formenbaubetrieb sehr gut aufgestellt ist, gerade aber vielleicht nicht das Marktsegment bedient, dass auf der Kundenseite wirtschaftlich gut läuft. Darauf hat man in gewisser Weise keinen Einfluss. Von daher kann ich immer nur sagen, wie die Unternehmen aufgestellt sind. Und unsere Kategoriesieger oder Finalisten befinden sich technologisch, organisatorisch und strategisch alle auf einem sehr hohen Niveau.

Inwieweit ändert sich das Niveau der teilnehmenden Unternehmen von Jahr zu Jahr? Lässt sich daraus ein Trend abzeichnen?

Das Niveau der Unternehmen ändert sich insofern, wie sich alle Unternehmen in der Produktion verändern. Es gab in der Vergangenheit viele Technologiesprünge. Es gab etwa die HSC-Bearbeitung, die eingeführt wurde. Es haben sich Veränderungen hin zu einem industriellen Werkzeugbau ergeben. Die Automatisierung war plötzlich das Thema, das weitere Punkte wie Standardisierung und Modularisierung hervorbrachte. Jetzt kommt ganz stark die Digitalisierung. Was man beobachtet: Die Unternehmen entwickeln sich in diese Richtung immer weiter, aber sie tun das alle auf einem ähnlichen Niveau. Es ist nicht so, dass das nur einer macht oder einer im besonderen Maße hervorsticht. Bei den Finalisten merken wir, dass die genannten Themen später dann auch sichtbar werden.

Prof. Günther Schuh beim Vortrag in Aachen
Prof. Günther Schuh, Direktor WZL der RWTH Aachen und Fraunhofer IPT, referiert beim 19. internationalen Kolloquium "Werkzeugbau mit Zukunft". Die Veranstaltung gilt als zentraler Branchentreffpunkt. - (Bild: werkzeug&formenbau)

Wie meinen Sie das?

Die Preisverleihung des EIP-Wettbewerbs findet immer am Vorabend des internationalen Kolloquiums "Werkzeugbau mit Zukunft" statt. Unter den Referenten befinden sich etwa auch Sieger oder Finalisten von EIP. Und wer sich diese Vorträge anhört merkt, dass plötzlich Künstliche Intelligenz (KI), Datennutzung und Digitalisierung mehr und mehr in den Vordergrund rücken, um wieder eine weitere Differenzierungsmöglichkeit zu schaffen. Eine weitere Weiterentwicklung. Selbst bei den Betrieben, die es nicht ins Finale geschafft haben, findet sich eine ähnliche Entwicklung. Ich glaube, alle beschäftigen sich mit diesen Themen, wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit.

Wie haben Sie die aktuelle wirtschaftliche Situation in den Unternehmen wahrgenommen?

Ich halte den Werkzeug- und Formenbau für eine extrem starke Branche. Und ich glaube, keine Branche ist besser aufgestellt, um die Herausforderungen, die uns jetzt begegnen, zu bewältigen. Die Werkzeug- und Formenbauer waren immer agil, immer innovativ. Das heißt, wenn sich Rahmenbedingungen ändern, war der Werkzeugbau bislang relativ schnell in der Lage, sich anzupassen und geeignete Lösungen zu liefern. Das mag vielleicht nicht zu 100 Prozent auf alle Betriebe zutreffen, dennoch bin ich da ganz optimistisch. Bevor der Werkzeugbau zugrunde geht, gehen alle anderen zugrunde. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Thomas Bergs
(Bild: werkzeug&formenbau)

"Wir hatten immer gute Ideen. Der Werkzeugbau war immer ganz vorne dabei beim Einsatz neuer innovativer Technologien und er wird damit auch die aktuell schwierige Situation gut meistern."
Prof. Thomas Bergs, Juror bei EIP, Direktor des Werkzeugmaschinenlabors WZL der RWTH Aachen und des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT

Prof. Bergs, lässt sich denn von einer Krise sprechen?

Das Problem ist, dass es uns noch nicht mal gelingt, diese Krise zu beschreiben. Es ist im Moment die Unsicherheit, was passieren wird. Die Prognosefähigkeit in unserem Umfeld – wie wird sich die Automobilindustrie entwickeln? Wie werden sich die Handelsstreitigkeiten zwischen wichtigen Abnehmermärkten entwickeln – USA, China. Wie wird sich der Brexit entwickeln? All das weiß ja keiner. Insofern ist es schwierig die Situation eindeutig zu beschreiben und es gibt auch heute keine wirkliche Lösung dafür.

Wie wirkt sich dieser Zustand denn auf die Betriebe aus?

Sehr unterschiedlich. Wenn ich kein Automobilzulieferer bin, wie der W. Faßnacht Werkzeug- und Formenbau, dann geht’s mir eventuell gut. Es kann sein, dass ich in der Blechbearbeitung arbeite für Elektrokomponenten, und mir geht’s hervorragend. Insofern gibt es da kein allgemeines Statement. Es gibt viele Veränderungen, und das wird einige vielleicht stärker treffen als andere. Andere werden davon profitieren. Ich glaube, die Branche wird gut damit umgehen können. Einfach aufgrund der Agilität. Vielleicht muss man jetzt einfach mal abwarten, was wirklich passiert und inwieweit sich die Rahmenbedingungen entwickeln. Und wenn sich das abzeichnet, gilt es für den Werkzeug- und Formenbau, reaktionsschnell auf diese Situation zu antworten. Das kann der Werkzeugbau sehr gut. Da bin ich mir ziemlich sicher.

"Ich halte den Werkzeug- und Formenbau für eine extrem starke Branche. Bevor der Werkzeugbau zugrunde geht, gehen alle anderen zugrunde. Da bin ich mir ziemlich sicher."
Prof. Thomas Bergs, Juror bei EIP, Direktor des WZL der RWTH Aachen und des Fraunhofer IPT

Digitalisierung konsequent einsetzen

Gibt es etwas was sie der Branche dazu im Allgemeinen mitgeben wollen?

Die Branche denkt sehr unternehmerisch, ist sehr innovativ und sehr offen für neue Dinge, die sie dann auch schnell umsetzen kann. Ich glaube, dass es wichtig sein wird, dass wir Leistungsfähigkeit ausfindig machen. Das erschließt man im Moment damit, dass man Digitaltechniken einsetzt. Wenn wir die Digitalisierung konsequent einsetzen würden, könnten wir sehen, dass da noch viel Luft ist, um vielleicht noch einen Sprung in der Leistungsfähigkeit zu schaffen. Mit der gleichen technischen Infrastruktur und ohne dass wir dafür gänzlich neu investieren müssten. Das ist das versteckte Potenzial von dem ich rede.

Wie stellen Sie sich die Leistungssteigerung mittels Digitalisierung vor?

Am Ende geht es darum, dass wir Prozesse in höheren Leistungsbereichen stabil betreiben können, wenn wir das Potenzial der Digitalisierung, der Datennutzung, also der KI, wirklich ausschöpfen. Da liegt für mich als Fertigungstechnologe noch großes Potenzial, dass wir in Aachen gerne mit den Werkzeug- und Formenbaubetrieben gemeinsam erarbeiten würden. Quasi auf dem Shopfloor Maschinen vernetzten, Daten erheben und herausfinden, wo die Potenziale liegen und wie wir sie erschließen können. Das würde uns ermöglichen, besser zu prognostizieren und vorherzusagen, was meine Prozesse tun werden. Dieses Wissen lässt sich wiederum für die Planung nutzen. Das sind viele Faktoren, die sich im Umfeld der Digitalisierung und Vernetzung zeigen und die wir gerne im Werkzeug- und Formenbau ausschöpfen wollen. Hier liegt meines Erachtens ein wesentlicher Schlüssel. mf

"Am Ende geht es darum, dass wir Prozesse in höheren Leistungsbereichen stabil betreiben können, wenn wir das Potenzial der Digitalisierung, der Datennutzung, also der KI, wirklich ausschöpfen."
Prof. Thomas Bergs, Juror bei EIP, Direktor des WZL der RWTH Aachen und des Fraunhofer IPT

Sie möchten gerne weiterlesen?