So weit, so kompliziert. Denn so digital der Prozess in der additiven Anlage abläuft, so analog sind meist die Vorgänge im direkten Umfeld. Automatisierung oder digitale Datendurchgängigkeit – in der Regel Fehlanzeige. Wird etwa ein Hybridteil gefertigt, sind zumeist zerspanende Bearbeitungen am Anfang.

Masterpal-Palette
Die Masterpal-Palette läßt sich mit mehreren Minipal-Paletten von System 3R bestücken. So lassen sich gleichzeitig mehrere Bauteile additiv fertigen, die dann einzeln je nach Anforderung weiterbearbeitet werden können. - (Bild: GF Machining Solutions)

Das bedeutet, dass das Werkstück mit viel Aufwand aufgespannt und vermessen wird, der Nullpunkt wird definiert, und die Bearbeitung wird, ausgerichtet auf diese Referenz, exakt ausgeführt.

Um im zweiten Arbeitsgang eine additiv zu fertigende Partie aufs Werkstück aufzubringen, muss es im Bauraum der additiven Anlage platziert werden. Das bedeutet meist, dass es aus dem Spannsystem der zerspanenden Bearbeitung herausgelöst wird – und damit alle Referenzpunkte der bisherigen Bearbeitung verliert. Die Positionierung des Werkstücks in der additiven Maschine und das erneute Erfassen der Werkstückposition und -lage im Bauraum sind eine Quelle von Ungenauigkeiten. Das Gleiche gilt für das erneute Aufspannen inklusive Nullpunktermittlung für das anschließende Überfräsen der Oberflächen. Für eine industriell praktikable Prozesskette ist dieses Vorgehen nicht geeignet.

Das sagt die Redaktion

Der Blick über den Tellerrand lohnt

Wer traditionell aus den zerspanenden Technologien kommt, wird zunächst aus seiner Erfahrung heraus versuchen, eine Herausforderung zerspanend zu lösen. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Verantwortlichen in den Unternehmen mit unterschiedlichsten Fertigungsmethoden auskennen und ohne Scheuklappen die für die jeweilige Bearbeitung optimale Methode wählen können. Auf der zerspanenden Seite hat schließlich das Drehen ebenso seinen Platz wie das Fräsen, das Erodieren, Schleifen, Honen, Stoßen, Polieren, Läppen ... warum nicht das Lasersintern oder Elektronenstrahlschmelzen? Denn wenn man den Hype-Faktor abzieht, sind die additiven Technologien letztlich auch nur "ganz normale" Bearbeitungsverfahren. Die immer dann, wenn es sinnvoll ist und sie ihre Stärken ausspielen können, ganz selbstverständlich in die Prozesskette gehören. Richard Pergler

Hier hat sich einer der marktführenden Hersteller, die EOS Electro Optical Systems im bayrischen Krailing, zusammen mit dem Schweizer Maschinenhersteller GF Machining Solutions und dessen Spanntechniktochter System 3R zusammengeschlossen, um im Prozess die Durchgängigkeit hardwareseitig zu gewährleisten:

AM S 290 Tooling
In der AM S 290 Tooling steckt EOS-Technik. GF Machining Solutions sorgt mit dem System-3R-Spannsystem für Durchgängigkeit. - (Bild: GF Machining Solutions)

Ein auf allen Bearbeitungsstationen einsetzbares Nullpunktspannsystem sorgt dafür, dass das Koordinatensystem des Werkstücks erhalten bleibt und mit immer demselben Nullpunkt durch die gesamte Prozesskette mitwandert. Dies erlaubt ein deutlich präziseres Bearbeiten der Werkstücke, die mehrfachen Aufspannfehler entfallen. Inzwischen bewähren sich erste Lösungen im Praxiseinsatz – technologieaffine Werkzeugbauer wie das Unternehmen MHF Martin Halbgewachs in Steinheim an der Murr sammeln wertvolle Erfahrung mit dem System und haben sich hier ein Alleinstellungsmerkmal aufgebaut, das für viele Projekte interessant ist.

Speziell, wenn die gewünschten Werkstückeigenschaften es verlangen, dass konventionelle und additive Verfahren in höchster Präzision aufeinander abgestimmt werden.

Letztendlich werden die ihre Nase vorn haben, die ohne Scheuklappen und über Technologiegrenzen hinweg das jeweils beste Fertigungsverfahren einsetzen und deren Vorteile intelligent kombinieren können. Und hier ist das ganzheitlich orientierte Know-how, das sich die Pioniere auf diesem Feld heute erarbeiten, die beste Basis für die Wettbewerbsfähigkeit von morgen. nh

Halbgewachs: AgieCharmilles AM S 290 in der Prozesskette

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