Die nächste Generation
Es geht um eine neue Reihe an Anlagen, die in Richtung Additive Fertigung 2 0 geht

Bei der professionellen Additiven Fertigung (AF) ist ein Wandel zu neuen Anlagen und Geschäftsprozessen für die Produktion erkennbar, der in seiner Gesamtheit medial kaum Aufmerksamkeit findet. Bisher konnte man nahezu alle AF-Technologien mit einem einzgen Grundprinzip erklären: Auf Basis von 3D-Geometriedaten werden äquidistante Schnitte berechnet. Anhand der jeweiligen Kontur wird die Bearbeitung der Ebene festgelegt. Bildlich gesprochen entspricht diese Additive Fertigung heute einem umgekehrten Fräsprozess, bei dem mit einer simplen Frässtrategie mit nur einem Werkzeug schichtweise Ebenen bearbeitet werden. Erste Entwicklungen zeigen indes einen Trend auf, aus dem sich schließen lässt, dass zukünftige Additive Fertigungsanlagen sich mehr mit heutigen Fräszentren vergleichen lassen werden. Stichwörter sind: professioneller Maschinenbau mit integrierter Prozesskontrolle, Werkzeugwechsel, 5-Achs-Steuerung, Feature-basierte Fertigungsstrategien.

Bis vor wenigen Jahren wurden die Prozesse mit Anlagenaufbau und Steuerung stetig verbessert, ohne das Grundprinzip wesentlich zu verändern. Allerdings weitete sich das Preisspektrum für AF-Anlagen extrem aus und geht heute von wenigen hundert bis zu mehr als einer Mio. Euro. Auch das Marketing der Technologieanbieter hat sich geändert. Es gibt häufig ein preislich unteres Marksegment in erster Linie für Hobbybereich, Schulung und kleinere Industrieanwendungen. Anlagen im mittleren Segment von rund 15 000 bis 100 000 Euro zielen auf die industrielle Fertigung von Prototypen in frühen Entwicklungsphasen oder Urmodelle für gießtechnische Folgeprozesse. Die Anlagen der High-End-Klasse werden meist als Produktionsanlagen bezeichnet, obwohl die meisten noch für die Produktentwicklung eingesetzt werden.

Das sagt der Autor

Die Technik wird erwachsen
Anlagen der additiven Fertigung wurden bisher hauptsächlich so ausgelegt, dass sie den Anforderungen zur Fertigung von Prototypen genügen. Für zukünftige anspruchsvolle Anwendungen in der Produktion ist ein Anlagentyp gefragt, der heutigen Werkzeugmaschinen entspricht und eine komplexe und stabile Steuerung mit Online-Überwachung enthält. Sowohl etablierte Anbieter von Anlagen zur Additiven Fertigung als auch neu hinzugekommene Anlagenbauunternehmen bewegen sich in diese Richtung. Es ist davon auszugehen, dass mit diesen Anlagen zur Additiven Fertigung 2.0 ein Markt in der Produktion entsteht, der ein vielfaches größer ist als der aktuelle Prototypenmarkt. Die Additive Produktion wird dann erst richtig losgehen, auch wenn zu erwarten ist, dass das prozentual mit einer kleinen Verdrängung klassischer Fertigungsverfahren verbunden ist.
Martin Geiger

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Laser und Fräsen in einer Maschine: Die DMG-Mori-Tochter
Sauer zeigt die Zukunft hybrider Maschinen.

3D-Drucker ebnen den Weg in die Öffentlichkeit
Dank der preisgünstigen Anlagen, die unter der Bezeichnung 3D-Drucker bekannt wurden, erfuhren die Technologien erstmals Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit, wobei auch viel ohne Fachwissen veröffentlicht wird. Berichte über eine neue industrielle Revolution mit Verdrängung bisheriger Fertigungstechniken dürften wohl etwas zu euphorisch sein. Aber die Medienpräsenz trug wesentlich zu vielen Investitionsentscheidungen bei – das lässt sich an den Aktienkursen von AF-Anbietern ablesen.

Neben den etablierten AF-Pionieren zeigten im Dezember 2013 auf der Euromold vermehrt traditionelle Anlagenbauer aus der CNC-und Spritzgießbranche additive Fertigungsanlagen oder Hybridanlagen im High-End-Bereich. Sowohl das Marketing in Richtung Produktionsanlagen als auch der Einstieg renommierter Anlagenbauer in die Thematik Additive Fertigung zeigt den Willen, zukünftig diese Technologien in der Fertigung von Produktteilen verstärkt zu etablieren. Allerdings sind dort die Anforderungen an Anlagen höher als in der Entwicklung.

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Nicht die Fertigung von Prototypen und Modellen steht bei der aktuellen Maschinengeneration im Fokus, sondern die Produktion von Serienteilen.

Im Rahmen von Aktivitäten in zwei von Coachulting moderierten Netzwerken mit Experten und Betreibern zur Additiven Fertigung von mehr als 15 renommierten Unternehmen wurden Ziele an zukünftige High-End-Anlagen erarbeitet.

1. Prozesssicherheit und gleichbleibende Bauteilqualität
Bei anspruchsvollen Produktteilen ist es wichtig, dass die Eigenschaften der gefertigten Teile über die gesamte Produktion innerhalb eines kleinen Fensters konstant bleiben und den erprobten Teilen entsprechen. Hier besteht aus Sicht der beteiligten AF-Betreiber noch großes Potenzial in einer verbesserten Prozessüberwachung. Wichtig ist, dass die Prozessführung über mehrere Jobs konstant und wiederholbar betrieben wird und auch protokolliert ist. Zum Beispiel sollte bei laserbasierten Anlagen die ankommende Laserleistung regelmäßig erfasst werden.

Wichtig sind die realen Werte im Prozess und nicht die eingestellten Parameter. Eine Videoüberwachung des Prozesses mit Mustererkennung könnte manche Fehler im Prozess früh erkennen, den Prozess stoppen und den Betreiber per SMS oder E-Mail benachrichtigen. Der Anlagenaufbau und die Zuverlässigkeit sollte ein Niveau heutiger Werkzeugmaschinen erreichen. Zukünftige AF-Anlagen sollten modular angeboten werden, etwa mit oder ohne Online-Überwachung.

2. Prozesssteuerung
Hier lässt sich viel von aktuellen Fräszentren abschauen. Es gilt aber zu berücksichtigen, dass viele AF-Technologien an eine schichtweise Bearbeitung gebunden sind. Trotzdem muss bei der Fertigung nicht jede Schicht gleich bearbeitet werden. So werden bei neueren Anlagen Konturbereiche mit einem Laser bearbeitet, der für dünne Schichtstärken und feine Konturen ausgelegt ist, während innere Bereiche mit einem leistungsstarken Laser nur alle paar Schichten sehr schnell aufgebaut werden. Hier geht der Trend zur Nutzung mehrerer Werkzeuge und komplexerer Bearbeitungsstrategie.

Technologien wie pulverstrahlbasiertes Laserschmelzen oder Fused Deposition Modeling ermöglichen völlig neue 3D-Generierungsstrategien. Erste Anlagen auf der Euromold zeigten 5-Achs-Steuerungen. Hier besteht ein sehr hohes Potenzial, die Effizienz von AF zu erhöhen. Die Kombination mit einem Fräsprozess verbindet die geometrische Freiheit von AF mit der Oberflächenqualität beim Fräsen. Solche Hybridanlagen dürften in den kommenden Jahren verstärkt auf den Markt kommen. Es ist zu hoffen, dass Anbieter von Mehrachsfräsprogrammen auf den Markt der Additiven Fertigung aufspringen und komplexe Programme in Zusammenarbeit mit Anlagenherstellern anbieten. Allerdings wird dann auch der Programmieraufwand ähnlich hoch wie bei Fräsen.

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Die Kombination mit einem Fräsprozess verbindet die geometrische Freiheit von additiver Fertigung mit der Oberflächenqualität vom Fräsen.
Bilder: Coachulting

3. Multimaterialbearbeitung
Die Multimaterialbearbeitung ist ein sehr innovativer Bereich für die Additive Fertigung, der über Werkzeugwechsel oder entsprechender Materialzufuhr realisierbar ist. So verfügt die Maschinenfabrik Berthold Hermle AG über Anlagen, die die Bearbeitung mehrerer Metalle in einem Arbeitsgang ermöglicht. Hierbei wird Metallpulver ähnlich wie beim Laserauftragschweißen aufgebracht. Allerdings wird das Pulver über eine Lavaldüse beschleunigt und verschmilzt aufgrund der hohen kinetischen Aufprallenergie. Dass hierdurch völlig neuartige Produkte entwickelt werden können, liegt auf der Hand. Zum Beispiel können in Stahlformeinsätzen Kupferleitungen eingebunden werden.

4. Methoden zur Prozessqualifizierung
Es ist zu erwarten, dass auch in naher Zukunft die Prozesssicherheit und Bauteilkonstanz für viele Produktteile mit den heutigen Geschäftsmodellen nicht ausreichen, um hohe Produktionsanforderungen zu erfüllen. Es gilt aber zu berücksichtigen, dass viele Qualitätsschwankungen ihre Ursachen in den heutigen Geschäftsprozessen haben. Hierbei fertigt ein Lieferant die Teile nach Erhalt der CAD-Daten mit der gewünschten Technologie. Auf welcher Anlage jedoch, an welcher Position und in welcher Orientierung gebaut wird, entscheidet der Lieferant. Auch Alter der Anlage, Fähigkeiten des Bedieners oder Servicezustand der Anlage haben einen hohen Einfluss auf die Bauteilqualität.

Daher gehen fortgeschrittene Anwender dazu über, Produktteile nur freizugeben, wenn sie auf einer qualifizierten Anlage in einer vorgeschrieben Art und Weise gefertigt werden. Der Aufwand zur Prozessfreigabe hängt stark von den Anforderungen an die jeweiligen Bauteile ab. Deshalb arbeitet Coachulting an der Spezifikation von Produktklassen. Diese Klassen und zugeordnete Qualifizierungsprozesse sowie geeignete Methoden sollen Anwendern die Entscheidung hinsichtlich einer möglichen Additiven Fertigung erleichtern.

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Bislang Stand der Technik: Die Werkstücke werden Ebene für Ebene aufgebaut. Künftige Entwicklungen werden eher wie Werkzeugmaschinen konstruiert sein und den Aufbau intelligenter und rationeller gestalten.

5. Einfache Prüfkörper und Prüfmittel zur Prozessqualifizierung
Ein weiteres Hilfsmittel, die Prozesskonstanz zu gewährleisten, wären normierte Prüfkörper, die kostengünstig im Prozess mit gebaut werden und mit günstigen Prüfvorrichtungen nach dem Prozess schnell verifiziert werden können. Dies wäre eine sinnvolle Aufgabe für die Forschung und Verbände. Heutige normierte Prüfstäbe sind zu aufwändig. Zusätzlich sollte man sich Methoden aus dem Metallgussbereich ansehen. Hier schwanken die Bauteileigenschaften oft stärker als bei AF, trotzdem stellt niemand in Frage, dass man über Metallguss Produkte fertigen kann. Eventuell werden AF-Lieferanten in Zukunft analog zu Lieferanten im Gussbereich qualifizierte Bauteilprüfungen mit anbieten müssen.

Aufgrund der hohen medialen Aufmerksamkeit für 3D-Drucker, dem erwirtschafteten Geld bei AF-Pionieren und dem Einstieg etablierter Maschinenbauunternehmen erhoffen sich die AF-Anlagenbetreiber eine erhöhte Dynamik hinsichtlich Realisierung der aufgezeigten Anforderungen an zukünftige AF-Anlagen. Die neu eingestiegenen Maschinenbauunternehmen werden noch etwas Zeit brauchen, um eine ähnlich gute Bauteilqualität etablierter Technologien zu erreichen. Die etablierten Anbieter werden sich einiges hinsichtlich Prozesssteuerung und Anlagenbau abschauen. Der Wettbewerb wird höher. Die Anforderungen bezüglich Produktion sind erkannt, und es wird daran gearbeitet. Mit Blick auf diese Entwicklungen kann man optimistisch davon ausgehen, dass in ein paar Jahren eine neue AF-Anlagengeneration 2.0 die Verbreitung der additiven Produkteilfertigung beschleunigen wird. Wichtig sind zusätzlich Methoden zur Prozessqualifizierung, Erfahrung und der Mut der Anwender, neue Wege zu gehen.

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