Viel schneller zum Span

In der Fertigung beim Marbacher Spanntechnikspezialisten Hainbuch waren in den Jahren 2005 und 2007 zwei leistungsfähige Bearbeitungszentren Stama MC 826 MT-S beschafft worden, um ein sehr spezifisches Produkt in mehreren Varianten zu produzieren. Die Teile wurden in zwei Aufspannungen komplett bearbeitet – vom Drehen über die Fräsoperation bis zur Beschriftung. Ziel war, die Teile komplett bearbeitet von der Maschine zu bekommen. „Mit den Stamas lösten wir vier bis fünf Einzelmaschinen ab, auf denen die Prozesse vorher in Reihe abliefen“, erklärt Peter Gerster, Betriebsleiter bei Hainbuch. „Wir waren mit dem Prozess sehr zufrieden, es waren immer die gleichen Spannmittel auf der Maschine gerüstet, die die Varianten komplett abdeckten. Zudem waren die Losgrößen damals auch höher.“

Drastisch kleinere Losgrößen
Jahrelang lief der Prozess hervorragend. Bis die Krise 2008/2009 kam, der Auftragseingang abrupt um mehr als 60 Prozent einbrach und die Losgrößen drastisch kleiner wurden. Damit wurden Kapazitäten auf den Stamas frei, die für andere Werkstücke genutzt werden sollten. Für die passten allerdings die auf den Maschinen gerüsteten Spannmittel nicht mehr.

Das sagt die Redaktion

Effizienz ist Kopfsache
Der Wandel in den Köpfen ist oft die größere Herausforderung als die Veränderung in der Technologie. „Das haben wir schon immer so gemacht“ – den Widerstand, sich aus eingefahrenen Gewohnheiten zu lösen, gilt es zu überwinden, die Mitarbeiter müssen letztlich überzeugt sein, dass neue Prozesse und neue Technik effizienter sind als das Bisherige und auch ihnen persönlich Vorteile bringen. Erst wenn die Mannschaft hinter einem Optimierungsprojekt steht und die neue Art zu arbeiten mit Leben füllt, können solche Vorhaben gelingen. Gegen die Mitarbeiter geht es nicht – wer nicht von den Vorteilen einer Lösung, eines Prozesses überzeugt ist, wird einen solchen Weg nicht oder nur halbherzig mitgehen oder – schlimmer noch – die neuen Ansätze sabotieren.
Richard Pergler

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Die centroteX-Schnittstelle ermöglicht den Austausch eines Spannmittels ohne Ausrichten – bei einer Wechselwiederholgenauigkeit von 0,002 mm. Auf den Stama-Maschinen entstehen unterschiedlichste Komponenten für Hainbuch-Spannsysteme.

Was dann noch an Aufträgen da war, das war in der Regel dringend. Das Spannmittel war damals direkt auf der Nutplatte festgeschraubt. „Ein Rüstprozess nahm seinerzeit rund 3,5 h in Anspruch – das war aus unserer Sicht definitiv zu viel“, erklärt Gerster. „Die Situation auf den Stamas war dabei kein Einzelfall – aber aufgrund der Komplexität der Maschinen bot es sich an, mit dem Optimieren hier anzufangen und im nächsten Schritt dann die Ergebnisse auf andere, einfachere Maschinen zu übertragen.“

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Die Hainbuch-Schnittstelle centroteX erlaubt einen schnellen und ergonomischen Wechsel der Spannsysteme und beschleunigt so das Rüsten.

60 Prozent der Werkstücke kommen inzwischen in Stückzahl 1, die Durchschnittslosgröße liegt bei 3 – die hohe Rüstzeit war also ein erheblicher Kostenfaktor. „Wenn es ans Optimieren der Rüstzeit geht, ist der Einsatz der richtigen Spanntechnik indes nur ein Faktor – ebenso wichtig ist, wie der Rüstvorgang selbst gestaltet ist“, betont Gerster. „Um hier Optimierungspotenzial zu identifizieren, sollte ein Planer die Abläufe beim Rüsten aufnehmen und zusammen mit den Einrichtern – wir fahren die Stamas 2-schichtig – die Problemstellen identifizieren. Darauf aufbauend wollten wir den Rüstprozess schrittweise verbessern.“

Wichtig war für Gerster, die betroffenen Mitarbeiter für die Problemstellung zu sensibilisieren und sie von Anfang an in die geplante Optimierung mit einzubinden. Das ist bei Hainbuch auch sehr gut gelungen, da die Mitarbeiter für offenkundige Verbesserungen in ihrem Bereich sehr aufgeschlossen sind.

Hindernisse elegant beseitigt
Ein erstes Hindernis beim Rüsten war schnell identifiziert: Eine Querstrebe in den Maschinen selbst verhinderte das Rüsten mit dem Kran. „Hier haben wir einen speziellen L-Bügel anfertigen lassen, um den Störfaktor Traverse zu umgehen“, berichtet Gerster. „So wurde eine Beladung von oben per Hallenkran möglich.“ Neben dieser Modifikation der Bearbeitungszentren war ein wichtiger Schritt die Optimierung des Arbeitsplatzes. „Unserem Planer waren die langen Wege aufgefallen, die die Einrichter beim Rüsten zu laufen hatten, um Werkzeuge, Spannmittel und Zubehör zusammenzutragen“, erläutert Gerster. „Deshalb konstruierten wir gemeinsam mit den Einrichtern einen Ablagewagen für Spannmittelaufnahmen und Hilfsmittel, damit wenigstens ein Teil der langen Wege und die damit verbundene Sucherei entfällt.“

Trends µ-genau

centroteX
Hainbuch-Schnellwechselsysteme passen auf jede Maschine. Sie erlauben den schnellen und einfachen Wechsel der Spannmittel bei Wechselgenauigkeiten von bis zu < 0,002 mm an der Schnittstelle. Damit lassen sich Maschinenstillstandzeiten verkürzen, die Maschinenverfügbarkeit steigt entsprechend. In puncto Qualität, Steifgkeit und Präzision sollen die Schnellwechselschnittstellen keine Einbußen verursachen. Schnellwechselsysteme wie centroteX erlauben zudem einen maschinenübergreifenden Spannmitteleinsatz.

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Links: Der Säulenkran wurde mit Balancer und L-förmigem Bügel ausgestattet – so kann das Spannmittel schnell gewechselt werden.
Rechts: Im Wagen sind die Spannmittel sicher und griffbereit platziert – sie können von hier direkt per Kran in den Arbeitsraum transportiert werden.

Noch fehlende Werkzeuge, die die Einrichter sonst fürs Rüsten von anderen Arbeitsplätzen in der Halle zusammengesucht hatten, wurden extra für den Rüstplatz beschafft. Für die Spannmittel fertigten die Optimierer ein spezielles Hebezeug an, so dass sie schnell und unkompliziert per Hallenkran auf- und abgerüstet werden können. Eine „Rüstcheckliste“ sollte zudem den optimalen Rüstvorgang festhalten und als Standard etablieren.

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Mit Toplus lassen sich unterschiedliche Werkstücke sicher und präzise spannen. Das sorgt für hohe Flexibilität auf der Maschine.

„Allein mit diesen Maßnahmen konnten wir die Rüstzeit auf unter 100 min drücken – das war weniger als die Hälfte der ursprünglichen Zeit“, erklärt Gerster. „Für uns ein erster Schritt, dem weitere folgen sollten.“ Denn noch immer mussten die auf der Nutplatte verschraubten Spannmittel nach jedem Wechseln mühsam von Hand neu ausgerichtet werden. „Hainbuch hat mit centroteX ein Schnellwechselsystem im Programm, das eine Wechselgenauigkeit von weniger als 0,002 mm erlaubt – und zwar ohne Ausrichten“, erklärt Gerster. „Wir rüsteten unsere auf den Maschinen eingesetzten Toplus-Spannmittel auf diese Schnittstelle um und packten auch die Spannmittel und die Lastmittelaufnahme auf den Ablagewagen.“ Damit sank die Rüstzeit auf 25 min.

Alles Notwendige griffbereit
In einem nächsten Schritt nahmen sich die Einrichter den Ablagewagen vor und ergänzten ihn um einen „Rüstwagen“, auf dem alle übrigen Utensilien, Werkzeuge und Hilfsmittel griffbereit zur Hand waren. „Damit konnten sie nochmals 10 min gut machen – der Rüstprozess dauerte jetzt nur noch 15 min“, berichtet Gerster. „Dabei fiel uns auf, dass der Löwenanteil der noch verbliebenen Zeit aus Warten bestand – warten auf den Hallenkran.“

Denn per Hallenkran kann man zwar im Prinzip alles bewegen. „Nur ist der erfahrungsgemäß immer an anderer Stelle im Einsatz, wenn man ihn gerade zum Rüsten braucht“, erläutert Gerster. „Die Investition in einen Säulenkran direkt an der Maschine, der immer verfügbar ist, wenn man ihn benötigt, vereinfacht das Handling beträchtlich und amortisiert sich schnell über die gewonnene Maschinenlaufzeit.“ Damit hatten die Einrichter die Zeit auf 3 min gedrückt – an sich schon ein beachtlicher Wert.

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„Organisation und Technik sind nicht alles – mindestens genauso wichtig sind engagierte und motivierte Mitarbeiter.“
Hainbuch-Betriebs-leiter Peter Gerster (rechts), hier mit Maschinenbediener und Einrichter Andreas Megna

Das Ende der Fahnenstange war aber auch das noch nicht: Training und eine gesunde freundschaftliche Rivalität zwischen der Früh- und der Spätschicht ermöglichen inzwischen den Wechsel der Spannmittel in weniger als 1,5 min – gegenüber dem Ursprungswert ist das eine Reduzierung um den Faktor 140.

„Das Ergebnis kann sich sehen lassen“, erklärt Gerster. „Es zeigt aber auch, dass Organisation und Technik nicht alles sind – mindestens genauso wichtig sind engagierte und motivierte Mitarbeiter, die bei einem solchen Projekt mitziehen und ihm letztlich nachhaltig zum Erfolg verhelfen.“

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