„Wenn alle ihre Pflichten erfüllen, hat niemand einen Grund, den Sekundärrohstoff Späne umzustufen.“
Sebastian Will, bvse

„Wenn alle ihre Pflichten erfüllen, hat niemand einen Grund, den Sekundärrohstoff Späne umzustufen.“
Sebastian Will, bvse (Bild: bvse)

Herr Will, welchen wirtschaftlichen Stellenwert haben Späne?
Sebastian Will: Metallspäne fallen in Betrieben der metallbe- und -verarbeitenden Industrie an. Sie sind für diese Unternehmen ein wichtiges Wirtschaftsgut, weil der Erlös beim Verkauf der Späne oft fester Bestandteil der Preiskalkulation für das erzeugte Produkt ist. Aufgrund des hohen Stellenwerts der Metallbe- und -verarbeitung in Deutschland hat die anfallende Menge einen entsprechend großen Umfang. Beim Erzeugungsprozess fallen verschiedenste Sorten von Metallspänen an, die von der Recyclingwirtschaft sortenrein erfasst, behandelt und der abnehmenden Industrie als einsatzfähiger Rohstoff zur Verfügung gestellt werden.

Welche gesetzlichen Grundlagen sind für die Späne zu beachten?
Sebastian Will: Bei der Erstellung des europäischen Abfallverzeichnisses im Jahr 2000 hat der Verordnungsgeber die Späne bewusst als nicht gefährlichen Abfall ohne Spiegeleintrag unter den Nummern AVV 120101 und 120103 eingestuft, obwohl ihm die Problematik der Kühlschmierstoffe bekannt war. Die Anhaftungen spielten und spielen also keine Rolle für die Abfalleinstufung. Dies ist übrigens gängige Praxis in allen EU-Ländern.

Gibt es davon abweichende Tendenzen?
Sebastian Will: Es gibt in Deutschland vereinzelt Tendenzen, Späne mit Anhaftungen generell als gefährlich einzustufen, ohne Rücksicht auf Entstehungsprozess oder Späneart. Die Einstufung des Abfalls ist jedoch Sache des Abfallerzeugers, erfolgt nach den Regeln der AVV und obliegt nicht dem Ermessen einer Behörde. Die Beweislast einer Umstufung liegt daher grundsätzlich bei der Behörde. Sie hat dem Abfallerzeuger die Gefährlichkeit nachzuweisen. Eine Umstufung der Metallspäne, wie es einige Behörden derzeit versuchen, widerspricht der Systematik der Abfallverzeichnisverordnung und verstößt gegen geltendes, europäisches Recht. In solchen Fällen müssen sich Abfallerzeuger und Entsorger wehren. Denn Späne sind ein wertvoller Rohstoff und kein Sondermüll.

Warum wollen die Behörden überhaupt umstufen?
Sebastian Will: Wir können und dürfen nicht verhehlen, dass beim Umgang mit den Spänen sowohl auf Seiten der Abfallerzeuger als auch der Entsorger besondere Sorgfalt zu walten hat. Späne bedürfen wegen ihrer Konsistenz und teilweise wegen ihrer Anhaftungen einer speziellen Behandlung, die ab dem Entfall bis zum Spänelager des Entsorgers umweltgerecht zu erfolgen hat. Dies müssen die Partner garantieren – und hier gibt es offenkundig noch in manchen Unternehmen Informatinosbedarf.

Woher bekommen Interessierte die notwendigen Informationen?
Sebastian Will: Der „Leitfaden für den umweltgerechten Umgang mit Metallspänen“, der von zehn Wirtschaftsverbänden, unter anderem auch vom Bundesverband Sekunderrohstoffe und Entsorgung BVSE herausgegeben wird, ist eine Orientierungshilfe für einen verantwortungsvollen und umweltgerechten Umgang mit Metallspänen. Ziel ist, die am Wirtschaftsprozess Beteiligten für die Vielfalt der Späne sowie die Vielzahl der unterschiedlichen Arten und Größen der Entfallstellen und die damit verbundenen unterschiedlichen Entsorgungserfordernisse zu sensibilisieren. Den Leitfaden haben sowohl industrielle Abfallerzeuger als auch Transport- und Speditionsunternehmen, Recyclingunternehmen der Eisen- und Nichteisenbranche und Verwerter gemeinsam erarbeitet. Die abfallrechtliche Einstufung der Späne als Produktionsabfall ist die Grundlage des Leitfadens. Damit bietet der Leitfaden den Nutzern bei Problemen verschiedene Lösungsmöglichkeiten an. Die Verfasser des Leitfadens wollen sowohl der Vielfalt der Späne, aber auch insbesondere der Vielzahl und der Unterschiedlichkeit der Entfallstellen Rechnung tragen.

Aus welchem Grund ist das so wichtig?
Sebastian Will: Nun, die unterschiedlichen Späne und die Gegebenheiten an der Entfallstelle sind Grundlage für ein von Abfallerzeuger und Entsorger gemeinsam zu erarbeitendes individuelles Logistikkonzept. Genau dafür bietet der Leitfaden eine Vielzahl Lösungsmöglichkeiten an. Dagegen argumentieren die Behörden mit den Gefährlichkeitsmerkmalen der anhaftenden Kühlschmierstoffe, über die sie eine Umstufung der Späne zu einem gefährlichen Abfall erreichen wollen. Auch hier bezieht der Leitfaden klar Stellung…

…und was ist hierzu die Kernaussage?
Sebastian Will: Die verwendeten Konzentrate werden vorher verdünnt, und in der daraus resultierenden Emulsion oder Lösung ist die Konzentration möglicher gefährlicher Bestandteile zwangsläufig weit geringer als im Konzentrat. Die Kriterien des § 3 Abs. 2 AVV werden nicht erreicht, so dass sowohl die Emulsion beziehungsweise Lösung als auch die damit benetzten Späne als nicht gefährlich anzusehen sind. Leider werden in vielen Gefahrstoffverzeichnissen Mineralölerzeugnisse wie KSS immer noch als gefährlich geführt, aber aus den aktuellen Sicherheitsdatenblättern ist leicht zu ersehen, dass sie dies schon lange nicht mehr sind. Gerade die Kühlschmierstoffe haben sich in den vergangenen Jahren vor allem aus Arbeitsschutzgründen zu gefahrstoffrechtlich nicht gefährlichen Produkten entwickelt. Wir können in der Regel keinen Grund für eine Umstufung mit weitreichenden Folgen erkennen.

Was wären denn diese weitreichenden Folgen?
Sebastian Will: Genehmigungsrechtliche Probleme ergeben sich für alle Prozessbeteiligten. Die Entfallstelle würde etwa einen gefährlichen Abfall erzeugen, müsste dies in ihrer Betriebsgenehmigung berücksichtigen und entsprechend Vorkehrungen treffen. Das ist sicherlich alles machbar, kostet aber Zeit und Geld. Ein Ertrag aus dem Abfall ist dann nicht mehr zu erwarten. Entscheidend ist, dass kein deutscher oder mir bekannter ausländischer Verwerter in Form eines Stahlwerks oder einer Gießerei gefährliche Abfälle bei der Herstellung hochwertiger Produkte einsetzen darf. Ich nenne als Beispiel Italien: Dessen Stahlwerke kaufen große Mengen Stahlspäne in Deutschland zur Verwertung, weil deren Betriebsgenehmigungen nur den Einsatz dieser Abfälle erlauben.

Das ist bei der Einstufung „gefährlicher Abfall“ nicht mehr möglich?
Sebastian Will: Nein. Denn ein gefährlicher Abfall bedarf der Notifizierung. Er würde in Italien keinen Abnehmer mehr finden. Das gleiche gilt für deutsche Abnehmer. Der vorhandene ressourcenschonende Kreislauf würde also völlig unnötig wegen fadenscheiniger umweltpolitischer Argumente zerstört. Nicht zu reden von der Frage, ob eine Verbringung innerhalb der EU überhaupt noch möglich wäre. Der deutsche Sonderweg erfordert – aus Sicht der hiesigen Behörden – beim grenzüberschreitenden Güterverkehr eine Notifizierung. Die kann aber im Empfangsland mangels der Gefährlichkeit von Spänen – bei korrekter Anwendung der AVV – nicht durchgeführt werden. Es wird der freie Warenverkehr innerhalb der EU somit für dieses Handelsgut unterbunden. Wir sind daher der Auffassung, dass es darauf ankommt, dass die Prozesskettenbeteiligten ihre Pflichten beim umweltgerechten Umgang mit Metallspänen erfüllen. Hier gibt der Leitfaden Hilfestellung. Ist dies der Fall, hat niemand einen Grund, den Sekundärrohstoff Späne umzustufen.

Kontakt: bvse – Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V., www.bvse.de

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