
Vollhartmetallfräser, meist ausgestattet mit einer TiAlN-Beschichtung, sind nach wie vor der Standard bei der Bearbeitung von Werkzeugstählen. Was bei legierten Qualitäten auch problemlos funktioniert, hat bei der Bearbeitung beispielsweise von Formelementen in nicht gehärtetem Stahl oft seine Tücken. Denn auch bei sehr hochwertigen VHM-Fräsern, wie sie bei WFT zum Schlichten vergüteter Stähle eingesetzt werden, bilden sich in den weicheren Materialien wie 1.1730 oft Aufbauschneiden, die einerseits die Standmenge der Werkzeuge verringern und andererseits am Werkstück Oberflächen erzeugen, die meist manueller Nacharbeit bedürfen.
Heiko Siebke, Vertriebsleiter bei WFT Werkzeug- und Frästechnik im niedersächsischen Coppengrave, wollte sich diesem „Naturgesetz“ nicht beugen. „Bei größeren Fräserdurchmessern gibt es mit Wendeschneidplattenwerkzeugen, die mit keramischen Platten bestückt sind, ja auch eine praktikable Lösung“, erläutert der Werkzeugmacher. „Wir setzen beim Schlichten häufig auf eine Schnelllaufspindel mit 30 000 min-1 – das hat zahlreiche Vorteile bis hin zu einer besseren Energiebilanz. Allerdings sind für diese Bearbeitung klassische Wendeplattenwerkzeuge schlicht zu massereich. Wir verwenden auf unserer Spindel meist Fräser mit 10 mm Durchmesser – und das ist aus unserer Sicht klar die Domäne der Schaftfräser.“
Das sagt die Redaktion
Das Risiko, Erfolg zu haben
„Das haben wir immer schon so gemacht“ – Es gehört Mut dazu, dieser Begründung für das Festhalten an einem Prozess entgegenzutreten und etwas signifikant zu verändern. Denn das Risiko des Scheiterns begleitet jeden Wandel. Und Scheitern wird in vielen Unternehmen noch als persönliches Manko gesehen. Deshalb werden viele auch vielversprechende Projekte gar nicht erst angegangen. Umso erfreulicher, wenn jemand seinen persönlichen Überzeugungen folgt, das besserwisserische „Ich habe es Dir doch gleich gesagt“ von Kollegen in Kauf nimmt, etwas Neues ausprobiert und dann von Erfolg belohnt wird. Erfolgreich zu sein ist leichter, wenn man keine Angst vor dem Scheitern haben muss. Wenn ein Scheitern, das nicht die Existenz von Arbeitsplätzen gefährdet, als normaler Bestandteil eines Verbesserungsprozesses gesehen wird. Das muss in der Kultur eines Unternehmens verankert sein. Denn sonst droht Stillstand – und der ist auf Dauer das größte Risiko.
Richard Pergler

Für einen rationellen Einsatz der Cermet-Fräser ist es wichtig, dass die Werkzeuge optimal vorbearbeitet werden.
Breites Werkzeugspektrum
Das Unternehmen WFT stellt vom Stanzwerkzeug mit 196 x 196 mm Größe bis zur 3,5 x 2,5 m großen 40-t-Form ein breites Spektrum an Werkstücken her. Zum Angebot gehören unter anderem individuelle Werkzeuge und Maschinen – von der Konstruktion bis zur Fertigung. Eine Domäne sind neben Stanz- und Schäumwerkzeugen vor allem große Presswerkzeuge. Aber auch die Lohnfertigung für unterschiedlichste Branchen nimmt breiten Raum ein. Als Werkstoffe werden in erster Linie Werkzeugstähle in unterschiedlichsten Härten verarbeitet.
Die Verantwortlichen machten sich auf die Suche nach einer Alternative zu den VHM-Toruswerkzeugen. Das gestaltete sich alles andere als einfach: Torusfräser aus keramischem Material für den Einsatz in Stahlwerkstoffen – da fand Siebke trotz intensiver Recherche keinen Anbieter.
„Nach langer Suche stießen wir per Zufall auf Gesau-Werkzeuge aus dem sächsischen Glauchau – die hatten Cermet-Torusfräser für die Gussbearbeitung im Angebot“, erklärt Siebke. „Das war zwar nicht ganz das, was wir wollten, aber immerhin ein Ausgangspunkt.“
Erst nach anfänglichem Zögern waren die Sachsen bereit, in ihre Cermet-Rohlinge statt der Guss- eine Stahlgeometrie zu schleifen. „Die Werkzeugexperten waren hier sehr skeptisch, unser Vorhaben widersprach eben auch ein Stück weit der althergebrachten Lehrmeinung“, berichtet Siebke. „Schließlich lieferte Gesau-Werkzeuge Cermetfräser mit einer angepassten Schleifstrategie, optimierter Geometrie und Schneidkantenpräparation sowie mit einer speziellen Beschichtung.“
Trends µ-genau
Cermet
Cermets sind gesinterte Verbundwerkstoffe, die in einer Metallmatrix keramische Werkstoffe einschließen. Als keramische Komponenten kommen beispielsweise Aluminiumoxid (Al2O3), Zirconiumdioxid (ZrO2) oder Titancarbid (TiC) in Frage. Als metallische Binder werden unter anderem Niob, Chrom, Titan, Molybdän, Kobalt oder Zirkonium eingesetzt. Im Gegensatz zu den Sinterhartmetallen sind Cermets elektrisch nicht leitend. Sie zeichnen sich in der Regel mit besonderer Härte und Verschleißfestigkeit aus. Ein Nachteil der Cermet-Werkstoffe ist die deutlich geringere Biegebruchfestigkeit als beim Hartmetall, weshalb ihre Verwendung in Schaftwerkzeugen in der Vergangenheit zugunsten der Hartmetalle in den Hintergrund trat.
Detail mit großer Wirkung
Schon die ersten Bearbeitungen zeigten, dass die Zerspanungsspezialisten auf dem richtigen Weg waren: „Diese Anpassung und Optimierung der Werkzeuge erwies sich für uns als echter Quantensprung in der Werkzeugstahlbearbeitung“, erklärt Siebke. „Während die VHM-Werkzeuge gerade einmal 2 h durchhielten und die Oberflächenqualität am Werkstück noch manuell optimiert werden musste, erzeugen die Cermet-Fräser auch nach 20 h Dauereinsatz noch gute Oberflächen – wir können mit diesen Werkzeugen ohne manuelle Nacharbeit finishen.“

„Manuelle Nacharbeit entfällt bei den Cermet-Werkzeugen. Im Fräsen sind wir um 20 Prozent schneller, weil wir jetzt mit einem Werkzeug bearbeiten, wozu bislang 20 notwendig waren.“
Heiko Siebke, WFT Werkezug- und Frästechnik
Die Fräser sind als 6-Schneider ausgeführt. Bearbeitet wird unter Minimalmengenschmierung und – insbesondere um die Späne aus der Bearbeitungszone wegzubekommen – mit Luftkühlung. „Die Herausforderung war, anfangs an genügend Fräser heranzukommen“, erklärt Siebke. „Die Rohlingsbeschaffung war damals nach Auskunft unseres Werkzeuglieferanten auf Grund von Marktveränderungen für das Nischenprodukt Cermet mit Problemen verbunden.“ Auch die Nachfrage bei anderen Werkzeugherstellern erbrachte keinerlei Resultat. „Wir wollten auch testen, wie sich die Cermet-Fräser bei vergüteten Stählen schlagen, uns waren die vorhandenen Werkzeuge aber für derartige Versuche schlicht zu kostbar“, erklärt Siebke.
Zuverlässige Qualität
Inzwischen jedoch hat Gesau-Werkzeuge eine zuverlässige Quelle für Cermet-Stabmaterial erschlossen und ist lieferfähig. „Wir orderten eine zweite Charge und waren zunächst misstrauisch, ob die neuen Fräser genauso gut arbeiten wie die erste Lieferung“, erinnert sich Siebke. „Unser Werkzeugpartner hat jedoch seine hohe Qualität gehalten, die neuen Tools liefern exakt die gleichen Ergebnisse wie ihre Vorgänger.“
Zum Test der Cermets in vergüteten Stählen ist es aber bislang immer noch nicht gekommen – die gute Auftragslage lässt derzeit schlicht keine Kapazitäten für eine Testreihe frei.
Auch das Nachschleifen der Werkzeuge übernimmt Gesau-Werkzeuge. „Somit ist die Wirtschaftlichkeit und Verfügbarkeit der Werkzeuge nachhaltig gesichert. Und auch für die Zeit danach habe ich ein gutes Gefühl“, meint Siebke: Wir wissen, dass wir uns auf unseren Werkzeugpartner verlassen können.“
Inzwischen werden die Cermet-Fräser bei WFT standardgemäß zum Schlichten unvergüteter Werkzeugstähle eingesetzt. „Die Cermet-Tools sind in der Beschaffung letztlich sogar preisgünstiger als die entsprechenden VHM-Fräser“, bilanziert Siebke. „Dazu kommt, dass die bislang notwendige manuelle Nacharbeit entfällt. Und auch im Fräsprozess sind wir um rund 20 Prozent schneller, weil wir jetzt mit einem einzigen Werkzeug bearbeiten können, wozu bislang 20 notwendig waren und auch etwas höhere Vorschübe fahren als mit den VHM-Werkzeugen. Alles in allem bringen uns die Cermet-Fräser nur Vorteile.“
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