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(Bild: Fraunhofer IPT/Diehl AirCabin)

In Klein- und Mittelserie hergestellte Verkleidungsbauteile sind etwa Interieurbauteile von Flugzeugen, Schienenfahrzeugen, Schiffen, Transportern, Wohnwagen und Anhängern. Zur industriellen Herstellung derartiger Verkleidungsbauteile werden meist trockene oder mit duroplastischer Matrix vorimprägnierte textile Halbzeuge (Prepregs) in Formwerkzeugen drapiert, falls nötig mit Harz imprägniert und unter gezielter Temperaturführung ausgehärtet.

Auch beim Thermoformen thermoplastischer FVK-Halbzeuge wie Organobleche oder glasmattenverstärkte Thermoplaste werden für hochwertige Oberflächenqualitäten und spannungsfreie Bauteile variotherme Werkzeugtechnologien genutzt. Anders als temperierte Werkzeuge mit konstanter Prozesstemperatur erfordern diskontinuierliche Prozesse wie das Nasspressen oder Resin Transfer Moulding (RTM-Verfahren) aus prozesstechnischen Gründen sowie für hohe Oberflächenqualitäten meist eine varitotherme Temperaturführung. Um bei diskontinuierlichen Fertigungsprozessen eine hohe Produktivität zu gewährleisten, sind minimale Aufheiz- und Abkühldauern erforderlich. Neben Produktivität und Oberflächenqualität steht auch die Energieeffizienz zunehmend im Fokus.

Etablierte Konzepte zur Werkzeugtemperierung basieren auf mehreren Fluidkreisläufen, die das Werkzeuginnere durchströmen und ihre thermische Energie zum Heizen oder Kühlen wie ein

induktionslitze

Die flexible Induktionslitze wurde im skalierten induktiv temperierten Werkzeug in vorbereiteten Nuten verlegt.

Wärmetauscher ans Werkzeug übertragen oder abführen. Die erreichbare Werkzeugmaximal-/-minimaltemperatur ist dabei abhängig vom gewählten Medium, sowie davon, ob es flüssig oder dampfförmig ist.

Lange Zuleitungswege, thermische und strömungstechnische Verluste, indirekte Energieeinbringung durch Wärmeleitung sowie eine große zu beheizende Werkzeugmasse sind die wesentlichen Nachteile der Temperierung mit Medienkreisläufen. Weiterhin lässt sich durch die ausschließliche Wärmeleitung nur eine geringe Wärmestromdichte erreichen.

Lange Aufheiz- und Abkühldauern

Neben der spezifischen Wärmekapazität des Werkzeugmaterials beeinflusst insbesondere die zu temperierende Masse die erforderliche Energiemenge. Je größer die zu temperierende Masse, umso mehr Prozessenergie muss für eine gewünschte Temperaturänderung zugeführt werden. Hieraus resultieren bei großen Werkzeugmassen lange Aufheiz- und Abkühldauern sowie eine träge Temperaturregelung.

Zur Reduktion der zu temperierenden Werkzeugmasse werden möglichst dünnwandige Strukturen angestrebt. Um die nötige mechanische Festigkeit zu erreichen, werden teure Nickelbasislegierungen mit teilweise gehärteten Formflächen verwendet. Eine weitere Möglichkeit sind Kavitätseinsätze und dreidimensionale Temperierkanalnetzwerke. Das ermöglicht hohe Heiz- und Kühlraten, die Realisierung der notwendigen komplexen Temperierkanalnetzwerke erfolgt jedoch zum Teil mit laserunterstützten generativen Fertigungsverfahren und ist insbesondere bei großen Werkzeugen etwa zur Herstellung von Flugzeuginte­rieur­bau­tei­len sehr aufwändig.

Trends µ-genau

LuFo IV „Diana“

Temperierte Formwerkzeuge werden unter anderem in kontinuierlichen und diskontinuierlichen Prozessen zur Herstellung, Aushärtung, Umformung von Struktur- und Verkleidungsbauteilen aus Faserverbundkunststoffen eingesetzt. Zur Steigerung der Produktivität diskontinuierlicher Fertigungsprozesse muss die Dauer des Aufheiz- und Abkühlprozesses minimiert werden. Eine sehr energieeffiziente Möglichkeit zur Einbringung thermischer Prozessenergie mit hoher Wärmestromdichte ist die auf dem Transformatorprinzip beruhende induktive Erwärmung. Insbesondere bei großen Werkzeugen und Prozessen, die einer formseitigen Zugänglichkeit oder einer Temperaturhaltezeit und -regelung bedürfen (wie Aushärteprozesse duroplastischer Prepregs), werden ins Werkzeug integrierte Induktoren eingesetzt. Im vom BMWi geförderten Luftfahrtforschungsprojekt LuFo IV „Diana“ entwickelte das Fraunhofer IPT mit Diehl Aircabin ein induktiv temperierbares Werkzeug zur Herstellung von Flugzeuginterieurbauteilen. Zur Kostenreduktion wurde anstelle eines konventionellen, aus gebogenen und gelöteten Kupferrohren bestehenden Induktors eine flexible mehradrige Kupferlitze erprobt. Die Litze ermöglicht das einfache Integrieren des Induktors in ins Werkzeug eingebrachte Nuten.

Eine günstigere Einbringung der Prozessenergie wird mit elektrischen Heizpatronen erreicht. Aus der ungerichteten Wärmeabgabe resultieren jedoch eine schlechte Regelbarkeit sowie eine ineffiziente Werkzeugtemperierung.

Induktive Werkzeugtemperierung

beheitztes_werkzeug

Am Fraunhofer IPT mit entwickeltem induktiv beheiztem Werkzeug
hergestelltes skaliertes Flugzeuginterieurbauteil.

Eine sehr energieeffiziente Möglichkeit zur Einbringung der Prozessenergie mit einer hohen Wärmestromdichte sowie einer hohen Aufheizrate wird per induktiver Werkzeugtemperierung erreicht. Dabei wird über einen mit Wechselstrom durchflossenen Leiter (Induktor) ein elektromagnetisches Wechselfeld erzeugt. Im leitfähigen Material innerhalb des elektromagnetischen Wechselfelds werden elektrische Ströme induziert. Das leitfähige Material wird aufgrund der Verlustleistung am ohmschen Widerstand erwärmt. Im Gegensatz zur indirekten Werkzeugtemperierung ist aufgrund der direkten Material­erwärmung keine Wärmeleitung erforderlich – eine sehr energieeffiziente Einbringung der Prozessenergie.

Externer oder interner Induktor

Bei Spritzgussprozessen erfolgt die induktive (Zusatz-)temperierung mit einem externen oder internen Induktor. Der externe an die Kavitätsgeometrie angepasste Induktor wird durch ein separates Handling-System ins geöffnete Spritzgusswerkzeug ein- und vor dem Schließen der Kavität herausgefahren. Dies ermöglicht die gezielte Temperierung der Kavitätsoberfläche vor dem Schließen des Werkzeugs. Zum Ausgleich der während der Schließdauer des Werkzeugs ins Werkzeuginnere abfließenden thermischen Energie wird die Kavitätsoberfläche überhitzt. Weiterhin ist beim externen Induktor keine geregelte Werkzeugtemperierung umsetzbar, da der Abkühlprozess des Werkzeugs bereits unmittelbar nach Herausbewegen des Induktors erfolgt.

Abhilfe bietet die Integration des Induktors ins Werkzeug. Mit einer rückseitigen Positionierung des Induktors nahe der zu temperierenden Kavität werden Verluste infolge von Wärmeleitung weitestgehend reduziert. Zusätzlich zur Vermeidung von Überhitzung der Kavitätsoberfläche und Regelung der Werkzeugtemperierung bietet die Integration des Induktors in das Werkzeuginnere durch Wegfall des separaten Induktor-Handling-Systems Vorteile bei großen Werkzeugen sowie bei der Realisierung von Temperaturhaltezeiten etwa für das Aushärten duroplastischer Prepregs.

konventionelle_temperierung

Die konventionelle Temperierung ist von unvermeidbaren Verlusten geprägt.

Im Luftfahrtforschungsprojekt LuFo IV „Diana“ (gefördert vom BMWI) entwickelte das Fraunhofer IPT zusammen mit Diehl Aircabin GmbH eine induktive Werkzeugtemperierung zur Fertigung von Flugzeuginterieurbauteilen mit dem Ziel, die Zykluszeit zu reduzieren sowie die Energieeffizienz zu steigern. Die Flugzeuginterieurbauteile bestehen aus Sandwichstrukturen mit duroplastischen faserverstärkten Decklagen sowie Dekorfolien und werden zur Zeit in mit Fluidkreisläufen temperierten Werkzeugen hergestellt. Das Werkzeug wird beim Aushärteprozess auf die erforderliche Prozesstemperatur erhitzt und nach definierter Haltezeit wieder auf Raumtemperatur abgekühlt. Dabei verbleibt das Werkzeug die gesamte Prozesszeit geschlossen in der Presse. Eine induktive Werkzeugtemperierung ist so nur mit internem Induktor möglich.

Induktorlitze als Alternative

Bei Flugzeuginterieurbauteilen mit großen Abmessungen und einer hohen geometrischen Komplexität sind konventionelle Induktoren aus Kupferrohren sehr kostenintensiv. Zur Reduktion der Kosten wurde der Einsatz einer mehradrigen

wirtschaftlichkeitsbetrachtung

Die induktive Werkzeugtemperierung kann in der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung überzeugen.

Kupferlitze als Induktor untersucht. Die flexible Induktionslitze ermöglicht eine einfache Werkzeugintegration – sie wird in im Werkzeug vorgesehene Nuten eingelegt und im Nutgrund mit einem temperaturbeständigen flexiblen Material fixiert.

Im Gegensatz zur induktiven Zuführung thermischer Prozessenergie mit Kupferrohren kann die Induktionslitze nicht zur Kühlung genutzt werden. Eine Werkzeugkühlung durch ins Werkzeug eingebrachte und abgedichtete Nuten stellt eine günstige Lösung für die Serienfertigung dar, die zugleich die Lebensdauer der Induktionslitze verlängert.

Der Einsatz einer flexiblen Induktionslitze erfolgte an verschiedenen skalierten ebenen und dreidimensionalen Werkzeugen an Prüfständen am Fraunhofer IPT. Zur Analyse des Aufheizverhaltens und zur Optimierung des Werkzeugs wurden im Werkzeug umfassende Messungen der Prozesstemperatur durchgeführt.

Im Versuchswerkzeug wurden in den Herstellungsprozessen in unmittelbarer Nähe zur Bauteilfläche nahe der Formseite Aufheizraten von rund 1 K/s ermittelt. Beim induktiv temperierten Werkzeug beträgt die Aufheizrate etwa 0,1 K/s.

induktive_temperierung

Bei der induktiven Temperierung lässt sich die Wärme direkt da einbringen, wo sie gebraucht wird.

Die Aufheizzeit wurde um bis zu 75 Prozent gegenüber der herkömmlich genutzten Werkzeugtemperierung mit Fluidkreisläufen reduziert. Die Zykluszeit kann beim exemplarisch betrachteten Demonstratorbauteil um rund 25 Prozent reduziert werden. Bei gesteigerter Prozesstemperatur wird die Aufheizdauer durch die deutlich höhere induktive Aufheizrate weiter verkürzt. Die zum Aufheizen des Aushärteprozesses anfallenden Energiekosten werden mit der induktiven Werkzeugerwärmung mehr als halbiert. Der zusätzliche Fertigungsaufwand für die im Werkzeug benötigten Nuten und der Einsatz eines korrosionsbeständigen Stahls armortisiert sich bei vorhandener Anlagentechnik abhängig von der gewählten Prozesstemperatur bereits ab einer Stückzahl von rund 600 Bauteilen.

Kontakt: Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT, www.ipt.fraunhofer.de

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