Wenn Führungspersonen einen neuen Weg einschlagen und zu Veränderung aufrufen, bekommen es viele Mitarbeiter mit der Angst zu tun. Zu groß ist die Ungewissheit vor dem, was kommt. Damit Mitarbeiter auf eine Neuausrichtung nicht mit Demotivation und einer reduzierten Leistungsfähigkeit antworten, hilft oft nur eins – ein höchst transparenter Umgang.

Implementierung des FCS Systems

Mit dem FCS-System können die Werkzeugbauer bei Heck + Becker extern vorrüsten, bevor es auf die Maschine geht.
Mit dem FCS-System können die Werkzeugbauer bei Heck + Becker in Dautphetal extern vorrüsten, bevor es auf die Maschine geht. - (Bild: werkzeug&formenbau)

So sind die Verantwortlichen bei Heck + Becker im hessischen Dautphetal vor gut fünf Jahren dieser Herausforderung begegnet, als sie sich für die Implementierung des FCS-Systems mit Pfleghar entschieden haben. "Denn bei dem automatisierten Nullpunktspannsystem geht es nicht nur um ein paar schön designte Spannelemente, die es mal eben schnell auf der Maschine einzurichten gilt, sondern um eine ganze Fertigungsphilosophie", wie Achim Klein von der Fertigungssteuerung (Arbeitsvorbereitung) bei Heck + Becker betont. Das haben die Vertriebsmitarbeiter von Pfleghar den hessischen Druckgussspezialisten gleich zu Beginn ans Herz gelegt, als sie das Spannkonzept von FCS im Jahr 2013 zum ersten Mal auf einer Hausmesse entdeckt hatten. "Und diese Philosophie lebt von der ganzheitlichen Betrachtung und Optimierung des Fertigungsprozesses", ergänzt Klein.

Das Großbauteil, aus dem das Bearbeitungszentrum kleine und filigrane Konturen fräst, unterliegt Toleranzanforderungen von kleiner 0,05 mm und ist dank FCS prozesssicher gespannt.
Die Großbauteile, aus denen die Werkzeugbauer bei Heck + Becker kleine und filigrane Konturen herausarbeiten müssen­, unterliegen Toleranzanforderungen von kleiner 0,05 mm und sind dank FCS prozesssicher gespannt. - (Bild: werkzeug&formenbau)

Vor ungefähr sechs Jahren reiste eine Gruppe an Verantwortlichen bei Heck + Becker nach Venedig, um sich gemeinsam beim Formenbau Elmann, dem Gründer-Unternehmen von FCS, einen Überblick über das Leistungsspektrum des Spannsystems zu verschaffen. Dort zieht sich das FCS-System durch die komplette Fertigung. "Für uns war es beeindruckend und faszinierend zugleich. Denn das Spannkonzept muss man erst einmal gesehen haben, um es zu begreifen", erklärt Klein. "Für uns stand nach dem Besuch fest, dass auch wir mit FCS arbeiten wollen. Und noch Ende 2013 ging die Bestellung raus."

Guideline-Software zur virtuellen Planung

Virtuelles Werkstückbild in der Guideline-Software.
Ausgehend vom Nullpunkt werden in der Guideline-Software die effektivsten Spannlagen und Spannerkonfigurationen ermittelt. - (Bild: Heck + Becker)

Das FCS-Nullpunktspannsystem beruht auf einem Baukastenprinzip, das aus standardisierten Säulen, Ringen und Bolzen besteht. Gespannt wird auf Referenzplatten oder Paletten, die direkt auf dem Maschinentisch oder in Handling-Systemen installiert werden. Die Positionierung des Werkstücks übernehmen Zentrierringe im Bauteil und der Rasterplatte. Besonders praktisch ist zudem die Konstruktions-, Konfigurations- und Analysesoftware Guideline, die den Anwender unterstützt und ausgehend vom Nullpunkt die effektivsten Spannlagen und Spannerkonfigurationen virtuell ermittelt.

Achim Klein, Heck + Becker

"Nach nur 12 Monaten konnten wir unsere reine Nettofräszeit pro Maschine durchschnittlich um 30 Prozent im Jahr erhöhen. Und das bei gleichbleibender
Mitarbeiterzahl und mit dem bestehenden Zwei-Schichtbetrieb."
Achim Klein, Fertigungssteuerung bei Heck + Becker (Bild: werkzeug&formenbau)

Im April 2014 starteten die Werkzeugbauer die erste Implementierung an dem Großbearbeitungszentrum DMU 125 von DMG Mori. Klein: "Uns war klar, dass die Einführung des FCS-Nullpunktspannsystems die Arbeitsweise abteilungsübergreifend gänzlich verändern wird – von der Konstruktion über die Fertigungssteuerung und Programmierung bis zum Maschinenbediener. Deshalb arbeiteten wir uns schon im Vorfeld ein Konzept aus, um möglichst viele der Mitarbeiter mit ins Boot zu holen."

Das FCS-System beruht auf einem Baukastenprinzip, das aus Säulen, Ringen und Bolzen besteht.
Das FCS-System beruht auf einem Baukastenprinzip, das aus Säulen, Ringen und Bolzen besteht. - (Bild: Pfleghar)

Nachdem die Verantwortlichen zunächst im kleinen Rahmen engagierte und neugierige Mitarbeiter aus allen Abteilungen geschult haben, wurde ein sogenanntes FCS-Team gegründet. Diese Gruppe hat sich fortan intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. "Das war elementar. Nicht etwas vor die Nase gesetzt zu bekommen, weil das ein Vorgesetzter so will, sondern weil auch Kollegen davon überzeugt sind und es von unten nach oben in die Abteilungen tragen", ist sich Klein sicher. "Schon nach ein paar Wochen hatten wir auch die letzten Skeptiker überzeugt, als sie die Erfolge auf der DMU 125 live betrachten konnten. Schnell lief es dann anders herum, und die Maschinenbediener konnten es kaum erwarten, dass auch ihre Maschine mit dem FCS System ausgestattet wird. Das war einfach klasse."

Das sagt die Redaktion

Planbar müssen sie sein, die Prozesse
Natürlich lassen sich die FCS-Spannkomponenten auch konventionell einsetzen. Schließlich sind sie extrem stabil und ermöglichen Spann­lagen, an die vorher nicht zu denken waren. Doch den größten Profit erzielt­ derjenige, der das Nullpunktspannsystem als solches einsetzt und die Spannsituationen virtuell plant. Planbare Prozesse wie in der Serienfertigung, nur für die Einzelfertigung – das ist es, worauf es ankommt­. Dafür bekommen die Anwender neben der Möglichkeit, die Guideline-Software­ zu nutzen, auch die FCS-Library zur Integration in bestehende CAD/CAM-Systeme zur Verfügung gestellt. Somit befindet sich das Team von FCS und Pfleghar auf einem verdammt guten Weg. Melanie Fritsch

Heute verfügen insgesamt elf Fräsmaschinen der Marken DMG Mori, Hermle, Matec und MTE über das FCS-Nullpunktspannsystem, genauso wie zwei Senkerodiermaschinen von OPS Ingersoll und zwei Tieflochbohrzentren von Auerbach und Imsa.

Virtuelles Vorrüsten

Bauteil vorgerüstet mit definiertem Bauteilnullpunkt
Mit dem FCS-System-Spannerbaukasten lassen sich alle Höhen und Durchmesser spannen­. Komplexe Lagen werden extern
für die 5-Seiten-Bearbeitung vorgespannt. - (Bild: werkzeug&formenbau)

"Mit dem FCS-System starten wir vollkommen virtuell, das ist das Besondere. Um die Spannsituation virtuell vorrüsten zu können, sind in der Guideline-Software all unsere Maschinen mit den Rasterpunkten, genauso aber auch alle Spanner hinterlegt. Ähnlich wie beim Legospielen bedienen wir uns am Baukasten, platzieren die Säulen, setzten unsere Spannpunkte – und schon könnte es losgehen", erklärt Klein. "Unser Ziel ist es jedoch, die Form so lange wie möglich virtuell zu halten, damit wir auch alle Änderungen vom Kunden noch virtuell einfließen lassen können."

Trends µ-genau

Historie des FCS Systems
Das FCS-System wurde vor etwa 15 Jahren von einem italienischen Formenbaubetrieb mit dem Namen FCS Stampi entwickelt. Mehr aus der Not heraus, da sich bis dato kein Nullpunktspannsystem für Einzelteilfertiger auf dem Markt finden ließ. Die Werkzeugbauer bei FCS Stampi haben alle für den eigenen Formenbau relevanten Spannkomponenten selbst konstruiert und gefertigt. So entstand über die Zeit ein Spannsystem mit zahlreichen Komponenten, das bald auch für den Markt frei zugänglich werden sollte. Um später für eine klare Markentrennung zu sorgen, firmierte FCS Stampi um zum Formenbau Elmann. Mit dem Vertrieb und der Implementierung in Deutschland wurde das Unternehmen Pfleghar beauftragt, das heute über etliche Erfolgs­storys mit FCS berichten kann. Im modernen Demozentrum am Firmenstandort­ bietet Pfleghar heute FCS-System-Schulungen und Vorführungen in der Praxis.

Mit diesem Vorgehen sparen sich die Spezialisten nicht nur wichtige Kapazitäten in der Fertigung ein, sie reduzieren auch ihre Durchlaufzeiten, lasten ihre Maschinen besser aus und fertigen damit größere Bauteilmengen.

Klein: "Die Ergebnisse sprechen für sich. Nach nur 12 Monaten konnten wir unsere reine Nettofräszeit pro Maschine durchschnittlich um 30 Prozent im Jahr erhöhen. Und das bei gleichbleibender Mitarbeiterzahl und mit dem bestehenden Zweischichtbetrieb. Unsere Rüstzeiten und -kosten sind erheblich gesunken. Das liegt vor allem daran, dass sich mit FCS selbst die komplexesten Spannlagen realisieren lassen und mehrere Bearbeitungsschritte und auch eine 5-Seiten-Bearbeitung in nur einer Aufspannung möglich ist."

Die Aufspannung bei FCS eignet sich für kleine und große Werkstücke ebenso wie für Schlicht- oder schwere Schruppbearbeitung. Die wesentlichen Vorteile des Spannsystems, das eine absolute Wiederholgenauigkeit von 4 µm erreicht, liegen vor allem in der hohen Stabilität, den Freiheitsgraden der Bearbeitung sowie in der Durchgängigkeit.

Profil

Heck + Becker GmbH & Co. KG
Heck + Becker fertigt komplexe Druckgusswerkzeuge für Teile aus dem Automobilsektor mit höchsten Qualitätsansprüchen. Die Spezialisten entwickeln gemeinsam mit ihren Kunden funktionsgerechte Gussteile und validieren die daraus resultierende Druckgussform mit Füll- und Erstarrungssimulationen­. Entlang der gesamten Prozesskette – vom Design, der Prototypenproduktion bis zur Bemusterung – stehen die Werkzeugbauer ihren Kunden, OEM und Anwendern in Tier I und Tier II als Ansprechpartner zur Verfügung. Das Unternehmen besteht seit mehr als 83 Jahre und beschäftigt auf einer Produktionsfläche von 9000 m² derzeit 160 Mitarbeiter und 25 Auszubildende.

Bauteil mit Gewindebohrungen
Um die Spannelemente von FCS anbringen zu können, müssen in die Bauteile zunächst Gewindebohrungen eingebracht werden. - (Bild: werkzeug&formenbau)

Die bei Heck + Becker gefertigten Druckgusswerkzeuge haben ein Gewicht von bis zu 90 t. Die zu bearbeitenden Teile bestehen vorrangig aus einem hochlegierten Warmarbeitsstahl (1.2343 ESU) und sind typischerweise bis zu 1000 x 1000 mm groß und bis zu 4 t schwer. "Trotzdem haben wir bei unseren Großbauteilen so kleine und filigrane Konturen herauszuarbeiten, dass wir mit Millimeterfräsern fertigen müssen. Darin besteht die Kunst", erklärt Klein. "Eine Produkte präzise fertigen mit Exeron-Automationskonzept ">Automation ist allein aufgrund der Dimensionen schwer realisierbar. Deshalb war für uns die Investition in FCS ein umso wichtigerer Schritt, um die Vorgaben des Vertriebs, kostengünstiger zu produzieren, erfüllen zu können."

Bei Heck + Becker werden die Bauteile vorbearbeitet, gehärtet und dann nachbearbeitet.

Rüstzeiten und Rüstkosten sparen

Fräsen mit dem FCS-Nullpunktspannsystem
Die Positionierung des Werkstücks übernehmen­ im FCS-System Zentrierringe im Bauteil und der Rasterplatte. - (Bild: werkzeug&formenbau)

Anders als früher, als der Maschinenbediener sich noch zu jedem Bauteil an der Maschine Gedanken machen musste, wie und mit welchen Spannmitteln er das Teil optimal spannen kann, werden die Spannelemente heute virtuell über die Software vorgegeben. Klein und seine Kollegen aus der Fertigungssteuerung legen dazu neben der Maschine, auf der das Teil bearbeitet werden soll, auch die Spannpunkte fest. Erst danach wird das Projekt an die Programmierer weitergegeben. "Das ist der Clou dabei", erzählt Klein. "Noch vor fünf Jahren wurde bei uns der Programmierer regelmäßig aus seiner Arbeit gerissen, wenn er für den Maschinenbediener spontan das NC-Programm umschreiben musste. Heute ist das Programm, wenn es zum Maschinenbediener kommt, fertig durchdacht, simuliert und kollisionsgeprüft. Zwischen beiden Herangehensweisen liegen Welten."

standardisierte Werkezeuge im Regal
Neben den Werkzeugsätzen wurden auch die Werkzeugaufnahmen bei Heck + Becker standardisiert. - (Bild: werkzeug&formenbau)

Die Fertigungsphilosophie des FCS-Systems basiert nicht zuletzt auf Standardisierung als Vorbereitung für eine vollautomatisierte Produktion. Neben der Einführung der Kollisionsüberwachung sind auch bei Heck + Becker Standards hinzugekommen, an die vorher nicht zu denken war. So verfügen beispielsweise alle Maschinen über einen standardisierten Werkzeugsatz, und auch die Werkzeugaufnahmen sind vereinheitlicht worden.

Werkzeugbau für die Zukunft gerüstet

"Wir nutzen das automatisierte Nullpunktspannsystem nun seit fünf Jahren. Bis heute konnten wir jedes Bauteil – wenn wir es denn wollten – mit dem FCS-Konzept spannen und fertigen. Insgesamt lässt sich sagen, dass wir unseren Werkzeugbau mit FCS für die Zukunft gerüstet haben", resümiert Klein: "Und die Vertriebsexperten bei Pfleghar haben uns auf dieser Reise von Anfang an auf einer sehr offenen und konstruktiven Art begleitet. Es war nie ein Verhältnis von Kunde zu Lieferant. Pfleghar ist für uns ein Partner, der unsere Potenziale erkennt und neue Wege aufzeigt. Dafür sind wir wirklich dankbar." mf

Wir haben Heck + Becker schon 2014 zur Einführungsphase des FCS-Systems besucht. Lesen Sie wie alles begann:

"Einführung der FCS-Fertigungsphilosophie mit Pfleghar"

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