Gespritzte Stahlteile
Das Metal Injection Moulding(MIM)-Verfahren eignet sich insbesondere für kleinere, mechanisch hoch belastbare Stahlteile mit komplexer Geometrie in mittleren bis großen Serien

Das Fertigungsverfahren MIM ähnelt dem Spritzgießen von Kunststoffteilen. „Es bietet die gleichen gestalterischen Freiheitsgrade“, erläutert Georg Breitenmoser, Geschäftsführer der Parmaco Metal Injection Molding AG in Fischingen in der Schweiz. Das mittelständische Unternehmen ist Spezialist für die Herstellung anspruchsvoller Komponenten aus hochwertigen Stahlwerkstoffen und Sonderlegierungen im MIM-Prozess.

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Computergestützte Simulation des Formfüllprozesses für ein MIM-Teil.

Da die Legierungen aus Pulvern gemischt werden, ist die Bandbreite verfügbarer Werkstoffe sehr breit und reicht von klassischen Kohlenstoff- über Edel- und Werkzeugstähle bis zu hochlegierten Werkstoffen sowie Nickelbasis- und Titanlegierungen oder Hartmetallen. Entsprechend groß ist die Bandbreite der erzielbaren Eigenschaften, die von zähen Kohlenstoffstählen mittlerer Festigkeit bis zu hochfesten oder hochharten Sonderlegierungen reicht.

„Am Markt müssen wir gegen eine ganze Reihe alternativer Herstellverfahren antreten“, ergänzt Breitenmoser. Die günstigste Lösung hängt vom konkreten Anwendungsfall und Randbedingungen wie der Jahresstückzahl ab. MIM ermöglicht die Herstellung sehr komplexer und filigraner Geometrien mit Hinterschneidungen bei hoher Genauigkeit und Oberflächengüte. Da aufwändige Werkzeuge hergestellt werden müssen, rechnet es sich in der Regel erst ab Stückzahlen von mehreren Tausend pro Jahr. Die Abmessungstoleranzen liegen bei ± 0,3 Prozent des Sollmaßes, während die Oberflächenrauheit bei Werten ab Ra = 0,4 bis 1,6 µm liegt. MIM-Teile erreichen eine hohe Porenfreiheit und damit 96 bis 100 Prozent der theoretischen Materialdichte. Ihre mechanischen Eigenschaften entsprechen weitgehend denen von Teilen, die aus dem Vollen gefräst wurden. Sie sind etwa auch bei hohen Drücken gas- und flüssigkeitsdicht. MIM-Teile können mechanisch bearbeitet, wärmebehandelt, gehärtet, vergütet und mit allen gängigen Oberflächenbeschichtungsverfahren veredelt werden.

Trends µ-genau

Metal Injection Moulding
Als Vorprodukt dient eine fließfähige Mischung aus feinem Metallpulver, Kunststoffen sowie diversen Additiven. Die Verarbeitung erfolgt mit Anlagen und Formtechnologien, wie sie auch beim Kunststoff-Spritzgießen zum Einsatz kommen. Allerdings ist die Gesamtprozesskette komplexer, da zunächst „Grünlinge“ ohne mechanische Festigkeit entstehen. Diese müssen zunächst einen mehrstufigen Entbindungs- und Sinterprozess durchlaufen, in dessen Verlauf sie um bis zu 20 Prozent schrumpfen. Das Resultat sind hochwertige, geometrisch und funktionell sehr anspruchsvolle Bauteile mit Längenabmessungen bis zu etwa 70 mm und Gewichten zwischen 1 und 100 g. Auch Mikroteile mit Gewichten ab 0,01 g sind darstellbar.

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Links: Steckverbindergehäuse mit integriertem Gewinde. Rechts der Grünling, links das fertige Teil.
Rechts: Die Chargen werden computergesteuert mithilfe von Präzisionswaagen zusammengestellt.

Im Vergleich mit pulvermetallurgischen Verfahren zeichnet sich MIM mit viel größeren Freiräumen bei darstellbaren Geometrien aus, während die Belastbarkeit der Teile weit höher ist als die von Druckgussteilen aus Aluminium oder Zink. Gegenüber dem Feingießen überzeugt MIM mit höherer Genauigkeit und besseren Oberflächen. Und das Fräsen aus dem Vollen ist von der Produktivität her nur vertretbar, wenn es um Einzelstücke oder kleine Serien geht. Zudem erfüllt MIM die höchsten in der Industrie geforderten Qualitätsvorschriften etwa aus den Bereichen Automobil, Medizintechnik oder Luft- und Raumfahrt.

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Links: Halter für die Positionierung eines Glasprismas für den Laser eines Entfernungsmessers.
Rechts: Durchführungen für die Hydraulikleitung eines Cabrioverdecks mit Betriebsdruck 180 bar.

Trotz hoher Werkstoffpreise wirtschaftlich
„Trotz eines vergleichsweise hohen Werkstoffpreises ist der Gesamtkostenvorteil bei MIM-Teilen in der Regel erheblich. Einsparungen von 50 Prozent sind durchaus keine Seltenheit“, erklärt Breitenmoser. Die als Ausgangsmaterial verwendeten sehr feinen und zugleich hochreinen Metallpulver bedingen einen wesentlich höheren Materialpreis als etwa Gießverfahren. Versucht man jedoch, ein einigermaßen anspruchsvolles MIM-Bauteil mit geeigneten Eigenschaften, Dimensionen und Stückzahlen mit einem anderen Verfahren herzustellen, so zeigt sich in der Regel schnell, dass andere Prozesspfade Mühe haben, hier Anschluss zu bekommen. Insbesondere dann, wenn das Bauteil so konstruiert wird, dass seine Geometrie und seine Werkstoffeigenschaften die Möglichkeiten von MIM optimal nutzen.

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„Trotz des vergleichsweise hohen Werkstoffpreises ist der Gesamtkostenvorteil bei MIM-Teilen meist erheblich. Einsparungen von 50 Prozent sind durchaus keine Seltenheit.“
Georg Breitenmoser, Geschäftsführer der Parmaco Metal Injection Molding AG

Auf den Herstellungsprozess abgestimmtes Design
„Design und Herstellprozess eines Bauteils sollten miteinander harmonieren“, erklärt Breitenmoser. Deshalb ist es sinnvoll, wenn die Prozesserfahrung des Zulieferers möglichst früh in der Entwicklung mit in das Design einfließt. So eröffnet MIM Möglichkeiten, Gewinde mittels spezieller Kerne direkt im Grünling zu formen, so dass sie später nicht mehr geschnitten werden müssen. Bei Parmaco arbeiten erfahrene Fachleute, die über umfassendes Know-how verfügen. „Bei unserer Fertigung verfolgen wir die Philosophie, jeden Prozess höchstmöglich zu automatisieren“, verrät Breitenmoser. Zum einen engt man so die Toleranzen der wichtigsten Fertigungsparameter zugunsten der Gleichmäßigkeit der Abläufe und damit der Produktqualität ein. Außerdem wird der Lohnkostenanteil am Produkt verringert.

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Halteplatte für einen Gasmess-Sensor. Beim Einpressen in das ausgestanzte „Fenster“ des Rohrs sorgen feine Rippen (Pfeil) für Zentrierung und festen Sitz. Die Gewinde werden durch spezielle Kerne erzeugt.

„Da wir auch Teile für die Luft- und Raumfahrt herstellen, erfüllen unsere Prozesse entsprechend hohe Anforderungen zu Dokumentation und Rückverfolgbarkeit“, sagt Breitenmoser. Alle verwendeten Eingangsstoffe – Metallpulver, Kunststoffe, Additive – werden ausschließlich von zertifizierten Lieferanten bezogen, die jeweiligen Chargen sind dokumentiert und rückverfolgbar. Da in der Rezeptur der verwendeten Pulvermischungen ein wesentlicher Teil des Prozess-Know-hows steckt, kauft Parmaco die reinen Rohstoffe und nimmt die Zusammenstellung und Aufbereitung grundsätzlich selbst vor. In Verbindung mit einer entsprechenden Qualitätsdokumentation ist so gewährleistet, dass die Prozesshistorie eines Teils selbst nach vielen Jahren noch lückenlos zurückverfolgt werden kann.

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