Neue Geschäftsmodelle für den Werkzeugbau

Organisationen müssen sich laufend neuen Rahmenbedingungen anpassen, seien es neue Gesetzgebungen, neue Wettbewerber oder technischer Fortschritt. Im Fall des Forschungsprojekts IC2 schaffen neue technische Lösungen für den Werkzeugbau wie die optimierte Fertigung hybrider Werkzeugeinsätze und in der Oberfläche des Einsatzes eingebettete Sensoren – siehe werkzeug& formenbau Ausgabe 5/2012, S. 38 – neue Chancen, aber auch Risiken, denen sich die beteiligen Unternehmen häufig nicht bewusst sind. Sobald diese neuen Lösungen marktreif sind, ergeben sich auf organisatorischer Seite zwei Hauptveränderungen für die Wertschöpfungskette. Zum einen werden die Anzahl der Akteure in der Wertschöpfungskette und die Kollaborationsintensität im Wertschöpfungsprozess zunehmen. Zum anderen stellen die neuen Technologien sowohl den Ausgangspunkt für eine Erweiterung des Leistungsportfolios der Werkzeugbauer dar als auch einen „Türöffner“ für neue Märkte und Kundenkreise.

Profiwissen pur

Entwicklung spezifischer Modelle
Die Projektpartner werden in den nächsten Monaten unter der Leitung von Stephan Schüle (Universität Stuttgart) und Flavius Sturm (Fraunhofer IAO) auf Basis der ermittelten Potenziale neue unternehmenspezifische Geschäftsmodelle entwickeln. Von besonderem Interesse für die Forscher sind dabei die Wirkzusammenhänge der einzelnen Geschäftsmodelle im Unternehmensverbund. Sobald die Projektpartner diese besser verstehen und es zusätzlich gelingt, eine „Win-win-Situation“ für alle Beteiligten herzustellen, ist ein weiterer Schritt in Richtung nachhaltige und internationale Kooperation zwischen KMU im Werkzeugbau getan.

Anpassung der Geschäftsmodelle
Damit die Adaption des Leistungsspektrums möglichst gewinnbringend für das jeweilige Wertschöpfungsnetzwerk verläuft und die Ansprache neuer Kundengruppen gelingt, ist eine Anpassung der Geschäftsmodelle der beteiligten Unternehmen erforderlich. Ziel der Projektpartner ist einerseits die Entwickung und Validierung einer generischen Vorgehensweise für die Definition neuer Geschäftsmodelle, andererseits die Anpassung der Geschäftsmodelle an die neuen technologischen Lösungen.

Wirkmechanismen identifizieren
Im ersten Schritt wurden die Wirkmechanismen im Wertschöpfungsnetzwerk der im Projekt beteiligten Werkzeugbauer beschrieben und zusätzlich eine generische Wertschöpfungskette entwickelt. Insbesondere haben die Forscher dabei die einzelnen Synchronisationspunkte zwischen den Akteuren bei Entwicklung und Fertigung von intelligenten Werkzeugen definiert. Drei maßgebliche Stellhebel aus Sicht des Werkzeugbauers wurden identifiziert:

Erfolgreiche Werkzeugbauer zeichnen sich mit einer tiefen Integration in die Werkschöpfungskette des Kunden aus. Speziell in frühen Projektphasen birgt das Know-how bezüglich der Bedürfnisse und Abläufe beim Kunden hohe Potenziale. Auf den Kunden zugeschnittene Werkzeuge können so schneller geliefert und zusätzlich das Wissen des Werkzeugbauers für die Optimierung der Kundenprodukte genützt werden.

Aufgrund der zunehmenden Anzahl von Partnern und der damit verbundenen steigenden Komplexität in der Wertschöpfungskette müssen umfangreiche Fähigkeiten zu Management und Koordination von Wertschöpfungsnetzwerken aufgebaut werden.

Der unternehmensübergreifende Entwicklungs- und Produktionsprozess für Werkzeuge muss optimiert werden, um Iterationen zu minimieren.

Trends µ-genau

Projekt „Intelligent and Customized Tooling“
Das europäische Projekt „Intelligent und Customized Tooling (IC2)“ adressiert den Bedarf an neuen Technologien und organisatorischen Modellen für die Werkzeugindustrie. Mit Entwicklung technologischer Grundlagen und organisatorischer Modelle für intelligente Werkzeuge, die an die Bedürfnisse der Nutzer angepasst sind, soll die Europäische Werkzeugindustrie mit erhöhtem Kundennutzen und Know-how ihre Wettbewerbsposition verbessern. IC2 steht auch für eine multidisziplinäre Forschung zu Hybridfertigung, Beschichtungen und Tribologie-Kontrolle, in die Oberfläche eingebetteten Sensoren und neuen organisatorischen Modellen.“

Bei der Analyse des Unternehmensumfeldes kommen klassische Werkzeuge wie die Produkt-Markt-Matrix, Porters Branchenstrukturanalyse, ein „Technologieradar“ oder die Modellierung des Wertschöpfungsprozesses zum Einsatz. Auf dieser Basis werden die aktuellen Services und potenzielle Leistungen in Bezug zu den einzelnen Schritten im Wertschöpfungsprozess gesetzt und daraus ein unternehmensspezifisches Lösungsportfolio entwickelt.

Neue Leistungsangebote für den Kunden generieren
Die zukünftigen Potenziale werden extrahiert und priorisiert. Im nächsten Schritt wird für jedes Potenzial das zugehörige Leistungsangebot detailliert, um ein im Unternehmen einheitliches Bild des zukünftigen Leistungsangebotes zu entwickeln. Schließlich erfolgt auf Basis des Beschreibungsansatzes die Entwicklung und Detaillierung des Geschäftsmodells für das jeweilige Leistungsangebot.

Die Analyse zukünftiger Potenziale mit den Projektpartnern zeigt, dass in allen Phasen des Produktlebenszyklus neue Leistungsangebote für den Kunden generiert werden können. Zudem zeichnet sich ab, dass Technologieentwicklung und -absicherung in Unternehmensnetzwerken anstelle der reinen Anwendung existierender Technologien auch für den klassischen Mittelstand immer bedeutender werden.

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