Oliver Gossel (links) und Jürgen Röders vor einem 5-Achs-Bearbeitungszentrum RXP 601 DSH.

Oliver Gossel (links) und Jürgen Röders vor einem 5-Achs-Bearbeitungszentrum RXP 601 DSH, das sich gleichermaßen für das HSC-Fräsen wie auch für das Koordinatenschleifen eignet. (Bild: Vollrath)

Spaltmaßvorgaben im 1-µm-Bereich sind bei Stanzwerkzeugen oder Formen für Smartphone-Linsen gang und gäbe. Deshalb steigt auch der Anteil an Jobs mit einer Finishbearbeitung durch Koordinatenschleifen. Dadurch wächst die Attraktivität von Bearbeitungszentren, die sich für beide Bearbeitungsverfahren gleichermaßen eignen.

Jürgen Röders, Geschäftsführer der Firma Röders, erklärt: „Im Vergleich zum Fräsen bietet das Schleifen mit gebundenem Korn wichtige Vorteile bezüglich der erreichbaren Genauigkeit sowie der Oberflächenqualität.“ Grund hierfür sind die frischen und daher extrem scharfen Bruchkanten der im Schleifkörper eingebetteten Schleifmittelkörner. Deshalb werden bei vielen Präzisionsbearbeitungen die letzten Mikrometer durch Schleifbearbeitungen abgetragen.

Früher erforderte dies den Einsatz einer zweiten Werkzeugmaschine mit dem entsprechenden Umrüstaufwand. Um dies auf einer Maschine in einer Aufspannung erledigen zu können, habe seine Firma schon 2001 erste Koordinatenschleifanwendungen auf HSC-Fräsbearbeitungszentren ausgeführt.

Das erste Mal öffentlich vorgestellt wurde dies auf der EMO 2001 in Hannover. Im Unterschied zu den klassischen Maschinenkonzepten für das Koordinatenschleifen, die eine Zirkularbewegung der Schleifspindel mit einem Planetenkopf ermöglichen, müssen hierbei Kreisbewegungen durch interpolierende Ansteuerung linearer Achsen realisiert werden. Deshalb sei man bezüglich der erreichbaren Rundheitsgenauigkeit damals noch leicht im Nachteil gewesen.

Doch auch bei Maschinen mit Zirkularkinematik des Arbeitskopfs ist die Genauigkeit der Kreisbewegung begrenzt, und zwar durch die Qualität der Lagerung. Selbst bei Spitzenprodukten lassen sich daher Rundheitsabweichungen in der Größenordnung von 0,5 Mikrometer kaum vermeiden.

Koordinatengeschliffene Kontaktfläche einer Kurvenscheibe.
Spiegelglanz auf der koordinatengeschliffenen Kontaktfläche einer Kurvenscheibe. (Bild: Vollrath)

Darum sind Röders-Maschinen gut fürs Koordinatenschleifen geeignet

„Mit unseren Fräsbearbeitungszentren der neuesten Generation sind solche Werte problemlos auch durch Linearachsen darstellbar“, ergänzt Oliver Gossel, Prokurist bei Röders. Entscheidend hierfür sei zunächst die Grundgenauigkeit der Maschine. Hier komme Röders dank hochwertiger Führungen, hochauflösender Maßstäbe und einem ausgefeilten Temperaturmanagement aller wesentlichen mechanischen Komponenten problemlos auf Positioniergenauigkeiten von unter einem Mikrometer.

Weitere Aspekte seien der reibungsfreie Gewichtsausgleich der Z-Achse sowie die automatische Kompensation der thermisch bedingten Längung der Spindel. Bei 5-Achs-Maschinen werden zudem vor Auslieferung Abweichungen der Dreh- und Schwenkachse des Tischs messtechnisch erfasst und kompensiert. Für zusätzliche Genauigkeit sorgt „Racecut“, die 32-kHz-Abtastfrequenz der Regelung in allen Regelkreisen, die Abweichungen bereits in der Entstehung erkennt und ausgleicht.

Hinzu kommen in die Maschine integrierte Hilfsmittel für die Vermessung der Werkstücke und Werkzeuge einschließlich einer 3-D-Anschlifferkennung. Für das Abrichten von Schleifwerkzeugen stehen diamantbestückte Abrichträder zur Verfügung. Das Tüpfelchen auf dem „i“ in Sachen Präzision liefert dann die Vektorsteuerung der Arbeitsspindel. Dadurch werden einmal abgerichtete Schleifwerkzeuge auch nach mehrfachem Auswechseln stets wieder in genau der gleichen Winkelposition eingespannt. So werden Fluchtungsfehler beim Wechsel sicher vermieden.

Schnittmatrizen für dünne Metallfolien.
Bei solchen Schnittmatrizen für dünne Metallfolien zum Beispiel für Joghurtbecher-Abdeckungen werden immer engere Spaltmaße gefordert. (Bild: Vollrath)

Beispiel: Spritzgussform für Smartphone-Kameras

„Die heute mit Röders-Maschinen erreichbare Präzision lässt sich anschaulich anhand einer Spritzgussform für Kameralinsen für Smartphones aufzeigen“, sagt Röders. Bei dieser besonders anspruchsvollen Anwendung werden 24 Nester mit je einer Durchgangsbohrung in einer Platte eingefräst und anschließend präzisionsgeschliffen. Erschwert wird dies dadurch, dass die zu schleifende Kontur teils erst in 20 Millimeter Tiefe beginnt, sodass das vergleichsweise schlanke Werkzeug unter ungünstigen Abdrängungsbedingungen zum Einsatz gebracht werden muss.

Die beiden insgesamt 60 Millimeter starken Werkzeuggrundplatten bestehen aus Werkzeugstahl mit einer Härte von 52 bis 54 HRC. Die Nester weisen eine unsymmetrische Kontur auf. Für die daran anschließende zylindrische Durchgangsbohrung wird ein Durchmesser von acht Millimeter mit Toleranzvorgeben -0/ +0,0005 Millimeter gefordert.

Auch in anderen Bereichen des Werkzeugs sind Toleranzen mit teils vier signifikanten Stellen hinter dem Komma einzuhalten. Sowohl das Fräsen als auch das Schleifen erfolgten auf einem dreiachsigen Bearbeitungszentrum Röders RHP 500.

Grundplatten einer Spritzgussform für Smartphone-Kameralinsen mit 24 Nestern.
Grundplatten einer Spritzgussform für Smartphone-Kameralinsen mit 24 Nestern. Für die zylindrische Durchgangsbohrung wird ein Durchmesser von acht Millimeter mit Toleranzvorgaben -0/+0,0005 Millimeter gefordert. (Bild: Vollrath)

Software vereinfacht die Zusammenführung der unterschiedliche Technologien

„Schleifen und Fräsen sind deutlich unterschiedliche Technologien, wobei das Schleifen merklich umfassendere Parametersätze der Zerspanung erfordert“, verrät Röders. Deshalb sei es auch nicht immer einfach, Schleifern das Fräsen oder Fräsern das Schleifen nahezubringen. Zudem liefern bisher nicht alle CAM-Programme fertige NC-Programme für das Koordinatenschleifen und oft seien die auch gar nicht nötig. Um den Kunden die Arbeit zu erleichtern, habe man die Programmierung des Koordinatenschleifens deutlich vereinfacht.

Für die Software-Spezialisten von Röders galt bei der Entwicklung die Direktive, dem Kunden möglichst rationelle Arbeitsabläufe zu ermöglichen. So kann sich der Anwender zu dem Job eine Datenbank mit vorgegebenen Parametersätzen zuladen. Das ermöglicht nicht nur eine schnellere Programmierung, sondern verringert auch das Risiko von Fehleingaben. Auch könne er die bereits vorhandene Datenbank selber mit Erfahrungswerten aus der eigenen Produktion erweitern.

Darüber leiste Röders gerne zusätzliche Unterstützung, da man im Laufe der Entwicklung der Technologie im eigenen Team einen umfassenden Erfahrungsschatz habe aufbauen können. Aufgrund der eigenen, auf Windows basierenden und einfach zu bedienenden Steuerung RMS6 ist die Einarbeitung der Kunden in beide Technologien einfach möglich, da die Herangehensweise in beiden Anwendungsgebieten identisch ist.

„Einer der wesentlichen Vorteile der Röders-Technologie beruht darauf, dass unsere Maschinen von vornherein für die hohen Belastungen beim HSC-Fräsen ausgelegt werden“, bekräftigt Gossel. Bei reinen Koordinatenschleifanwendungen seien die Beanspruchungen wegen der geringeren Materialabtragung nicht so hoch wie etwa beim Schruppen von Werkzeugstahl.

In der Praxis lassen sich aufgrund dieser deutlich höheren Steifigkeit im Vergleich signifikant höhere Zeitspanvolumen erreichen, da die Schleifwerkzeuge optimal zum Einsatz gebracht werden können. „Oft zeigen sich unsere Kunden überrascht, dass mit der gleichen Maschine einerseits geschruppt und im Anschluss auf den Mikrometer genau geschliffen werden kann“, so Röders. Dies könne realisiert werden, da die Bearbeitungskräfte keinen Einfluss auf die Maschinengeometrie haben oder zu einem Verschleiß führen, sodass eine außerordentlich hohe Dauergenauigkeit erreichbar sei.

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