Branche im Umbruch
Neben der hohen Handwerkskunst sind zunehmend andere Talente gefordert Und darauf sind viele Werkzeugbauer noch immer nicht vorbereitet

Der Wandel setzte schleichend ein. So änderte sich das Einkaufsverhalten in einer der wichtigsten Kundenbranchen, der Automobilindustrie. Der Name José Ignacio López de Arriortúa hat nicht nur für viele Werkzeug- und Formenbauer einen bitteren Beigeschmack, läutete er doch Ende der 1980er-Jahre zunächst bei Opel und General Motors, Anfang der 1990er-Jahre dann bei Volkswagen das Ende der Ära ein, in der in den Einkaufsabteilungen die Technik – meist selbst in Gestalt ausgewiesener Werkzeugbauer – das Sagen hatte und man sich in der Verhandlung darauf verlassen konnte, dass es für alle Seiten fair zuging. Eine Ära, in der langfristige Lieferantenbeziehungen noch per Handschlag besiegelt wurden und man auf Augenhöhe über Rauheit, Toleranzen und auch über Liefertermine sprechen konnte, ohne dass gleich mit Vertragsstrafen gedroht wurde, wenn wirklich einmal etwas schief ging.

Heute hat der typische Einkäufer eher einen wirtschaftlichen Hintergrund als einen technischen, seine Sprache ist geprägt von Euro und Cent anstatt von µm und Passtoleranzen. Und als Folge der Ära Lopez ist sehr stark der Preis als Entscheidungskriterium in den Vordergrund getreten – eine Zeit lang sogar so dominant, dass es fast egal schien, ob eingekaufte Werkzeuge wirklich funktionierten. Hauptsache billig, und die Probleme traten dann sowieso in einer anderen Kostenstelle auf.

Auch wenn heute teilweise und gerade auch in der Automobilindustrie die Einkaufsbedingungen so mancher OEMs und inzwischen auch einiger Tier-1-Zulieferer in Wortwahl und Inhalt haarscharf an eine Kriegserklärung grenzen, auch wenn manche Einkäufer ihre Zulieferer ganz „partnerschaftlich“ über den Tisch ziehen und ihnen womöglich die dabei entstehende Reibungshitze noch als Nestwärme vermitteln wollen – in vielen Unternehmen ist der Lopez-Trend, der in abgemilderter Form auch in andere Branchen geschwappt ist, nzwischen als falsch erkannt und der Weg zu echter Partnerschaft wieder offen.

Klar, der Preis muss nach wie vor stimmen. Und immer noch ist es eine große Herausforderung, einem nicht technikaffinen Einkäufer von den Vorteilen und dem Mehrwert (belegbar in EuroTrendreport 2 und Cent) eines höherwertigen Werkzeugs zu überzeugen, das dann zwar in der Anschaffung etwas mehr kostet, dafür aber im Betrieb die höhere Investition schnell wieder hereinspielt. Hier ist heute mehr gefordert, als „nur“ ein perfekt nach Auftrag gebautes Produktionsmittel abzuliefern. Wer sich nicht abhebt von seinen Mitbewerbern, bleibt gefangen in der Preisspirale.

Deshalb haben viele Werkzeugbauer ihr Leistungsportfolio erweitert. Das Wort „Dienstleistung“ ist in der Branche inzwischen salonfähig, Und immer mehr wird gerade das, was die Werkzeugbauer außer einem technisch perfekten Werkzeug bieten können, zum entscheidenden Auswahlkriterium. Ein logischer Schritt ist die Reparatur und Wartung eigener, aber auch fremder Werkzeuge. Änderungen, Laufzeitverlängerungen und ähnliches gehören ebenso längst zum Standard. Viel interessanter ist jedoch in vielen Fällen, sich bereits weit im Vorfeld der eigentlichen Herstellung eines Werkzeugs in den Prozess beim Kunden einzuklinken – in vielen Fällen ist inzwischen Expertise aus dem Werkzeug- und Formenbau schon in der Produktentstehung hoch willkommen. Denn Kunden haben zwar in der Regel eine sehr genaue Vorstellung über das Design eines Produktes. Wie es jedoch wirtschaftlich und rationell in dauerhaft hochwertiger Qualität hergestellt werden kann – dieses tiefe Produktionswissen ist bei so manchem Auftraggeber schlicht nicht mehr vorhanden.

Wer hier gute Ideen bringt – lesen Sie in diesem Zusammenhang auch unser Interview auf Seite 58 – und seinem Kunden damit einen klar belegbaren Vorteil verschafft, hat möglicherweise auch bei Folgeaufträgen zumindest einen Fuß in der Tür. Das erfordert indes den Aufbau und die Pflege eigenen Know-hows. Und das bedeutet einen Umbruch auch bei den Mitarbeitern.

Mitarbeiter fit machen
Denn sie sind die Wissensträger im Unternehmen – das gilt für den Werkzeug- und Formenbau mehr als für die meisten anderen Branchen. Und das bedeutet, dass man in die Aus- und Weiterbildung seiner Mitarbeiter auch entsprechend investieren muss. Und zwar nicht nur in technische Weiterbildung zu den Fertigungsprozessen im eigenen Haus. Wer mit einem ganzheitlichen Ansatz über die gesamte Prozesskette punkten will, braucht tiefe Kenntnisse über die Fertigungsprozesse seiner Kunden. Und darüber hinaus den Blick über den Tellerrand, um eine optimale Fertigungslösung bieten zu können.

Über das Wissen um Produktion und Prozesse hinaus werden indes die nichttechnischen Fähigkeiten immer wichtiger. Hatten es Werkzeugbauer vor zehn Jahren noch nicht nötig, Marketing zu betreiben, sind hier inzwischen professionelle Ansätze gefordert – die Kunden kommen nicht mehr von selbst, langjährige Lieferantenbeziehungen sind inzwischen oft Makulatur. Hier ist – intern oder extern– der Aufbau entsprechender Kapazitäten ein wichtiger Faktor für erfolgreiche Unternehmen in der Zukunft.

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Akzeptieren oder aktiv werden?
Was speziell in der Automotive-Industrie seit einiger Zeit in den Einkaufsbedingungen festgezurrt wird, hat mit „Partnerschaftlichkeit“ nichts mehr zu tun: Alle Lasten, alle Haftungen werden nach Möglichkeit dem Zulieferer aufgebürdet, während andererseits die Zahlung weit in die Zukunft geschoben wird. Mehr als ein Drittel der von uns in einer nicht repräsentativen Befragung angesprochenen Werkzeugbauer gab an, dass die Einkaufsbedinguingen seiner Kunden in den vergangenen Monaten ungünstiger oder sogar deutlich ungünstiger geworden sind. Die Reaktion auf diese Veränderung fällt unterschiedlich aus (Mehrfachnennungen waren möglich).

Selbst wenn ein Auftrag an Land gezogen wird, bleibt die Frage, ob er auch lukrativ ist. Oft bleibt die Kalkulatoin auf der Strecke. Und schon kleine Fehleinschätzungen können unterm Strich den Unterschied zwischen Plus und Minus ausmachen. Es soll sogar Einkäufer geben, die genau auf diese Fehler lauern – ganz nach dem Motto „Irgendeiner verrechnet sich immer“.

Dazu kommen Fähigkeiten beispielsweise in der Führung von Mitarbeitern, im Projektmanagement, immer mehr auch Sprachkompetenz und interkulturelle Stilsicherheit und vieles mehr. Der Werkzeugbauer, insbesondere der Werkzeugbauunternehmer von heute benötigt ein deutlich breiter aufgestelltes Wissen und Können als die Generation vor ihm.

Interview mit Heiko Semrau, VDWF

„Einigkeit macht stark“

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Heiko Semrau, Geschäftsführer des VDWF: „Einigkeit macht stark. Gemeinsam können wir den Branchenunternehmen eine Plattform, eine Stimme geben. Die Vernetzung untereinander, der Austausch mit anderen Unternehmen bringt den Werkzeug- und Formenbauern zahlreiche Vorteile.“

Wir fragten Heiko Semrau, Geschäftsführer beim Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer (VDWF), warum sich die Vernetzung mit anderen Werkzeugbauern lohnt.

Welche Vorteile bringt es, sich einem Verband anzuschließen?
Heiko Semrau: In der Branche ist seit Jahrzehnten die Klage zu hören: Der Werkzeug- und Formenbau hat keine Lobby. Genau das wollen die Verbände ändern – Einigkeit macht stark. Gemeinsam können wir den Branchenunternehmen eine Plattform, eine Stimme geben. Aber die Vernetzung untereinander, der Austausch mit anderen Unternehmen bringt den Werkzeug- und Formenbauern darüber hinaus zahlreiche weitere Vorteile.

Welche zum Beispiel?
Heiko Semrau: Das Berufsbild der Werkzeug- und Formenbauer ist im Wandel. Und auch die Anforderungen, die heute von den Kunden gestellt werden, haben sich drastisch geändert. Ein Vorteil eines guten Netzwerks ist etwa, dass man gemeinsam Werkzeugpakete bearbeiten kann, die ein einzelner Betrieb niemals stemmen kann. Darüber hinaus bieten wir im VDWF die Organisation eines gemeinsamen Auftritts auf Messen, unterstützen bei Vertrieb und Einkauf und geben bei Bedarf über unsere Partneranwälte Rechtshilfe. Ein immer wichtigerer Punkt indes ist die Aus- und Weiterbildung in der Branche.

Was kann ein Verband wie der VDWF da leisten?
Heiko Semrau: Wir haben unter anderem eine Ausbildungsinitiative gestartet, die eine bundesweit einheitliche Ausbildungssituation mit zeitgemäßen und vor allem branchenspezifischen Lehrinhalten geschaffen. Hier werden zusätzlich zur betrieblichen Ausbildung und zur Berufsschule ab dem zweiten Lehrjahr Spezialkenntnisse vermittelt. Der nächste Einstieg ist übrigens am 12. Mai möglich.

Mit dem sich wandelnden Berufsbild wird aber auch die Weiterbildung immer wichtiger…
Heiko Semrau: Richtig. Hier bieten wir beispielsweise zusammen mit der FH Schmalkalden einen Masterstudiengang zum Projektmanager FH im Werkzeug- und Formenbau und zwei weitere Studiengänge an. Damit sollen den Verantwortlichen in den Unternehmen über die technischen Aspekte hinaus Wissensgebiete erschlossen werden, die sie für ihren Beruf brauchen. Praxisorientierte Seminare und Workshops runden das Angebot ab – so erarbeiten wir beispielsweise gerade ein Angebot, das Betriebswirtschaft auf die Bedürfnisse und Anforderungen eines Werkzeugbaus herunterbricht und so Know-how sehr eingängig und nachvollziehbar vermittelt werden kann.

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