Nasa Gamma

(Bild: Nasa, Mapal, Siemens MBFZ Toolcraft, Airbus)

Trotzdem machen sich Verantwortliche in klassischen Produktionen nur wenig Sorgen um ihre Zukunft Und sie haben wahrscheinlich recht

Man muss seine Gedanken nur aussprechen: „Tee. Earl Grey. Heiß.“ Und wenn man Jean-Luc Picard heißt und das Raumschiff Enterprise kommandiert, wird einem der Wunsch auch prompt erfüllt: Aus dem Nichts materialisiert sich das gewünschte Heißgetränk. Samt Tasse natürlich.

Zugegeben, da reizen Science-Fiction-Autoren mal wieder ihre Phantasie aus. Aber – siehe Jules Verne – in vielen Fällen sind diese Phantasten Vordenker neuer Ideen. Und die haben gerade

auf diesem Feld noch engen Bezug zur Realität: Denn die rasanten Fortschritte im Reich der 3D-Technologien sind deutliche Indizien dafür, dass wir heute deutlich näher an der Verwirklichung dieser Ideen sind als in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern des vorigen Jahrhunderts, als die Kult-SciFi-Fernsehserie gedreht wurde. Und die Entwicklung in diesem innovativen Feld hat gerade erst richtig Fahrt aufgenommen.

Nasa Mars Ice House

Vielleicht die Basis einer künftigen Marsmission: Den ersten Preis eines Nasa-Wettbewerbs um das beste Habitat für den roten Planeten gewann dieser Entwurf eines additiv aus Eis gefertigten Hauses.

Angefangen hat alles im Jahr 1987, als in USA erstmals eine Stereolithographie-Anlage vorgestellt wurde. Inzwischen haben sich vom selektiven Lasersintern (SLS) übers Laserschmelzen (SLM) bis hin zum klassischen 3D-Druck die unterschiedlichsten Verfahren samt zugehöriger Gerätetechnik entwickelt. Teilweise mit höchst professionellem Anspruch, in der breiten Masse aber zunehmend auch für engagierte Hobbyisten.

Kaum Grenzen für Anwendungen

Concept Laser Bracket

Additiv auf einer Anlage von Concept Laser gefertigt: Bracket für den neuen Airbus A350 XWB.

Machbar ist inzwischen vieles. Ob ein mit entsprechenden Zutaten gefütterter 3D-Printer eine essbare Pizza baut oder ob Materialien für den Bau eines Hauses oder gar Teile einer ersten bewohnbaren Basis auf dem Mars ausgedruckt werden – den theoretisch möglichen Anwendungen scheinen kaum Grenzen gesetzt zu sein. Und umgesetzt wird auch so Einiges. Oft noch aus der Freude am schieren Machbaren und nicht mit dem Hintergrund, die speziellen Vorteile dieser Technologien gezielt zu nutzen. Oder eine besonders wirtschaftliche Produktionsmethode gefunden zu haben.

Das sagt die Redaktion

Ein Fall für Profis

Der Beruf des Metallzerspaners wird von additiven Technologien nicht verdrängt, er wird sich aber verändern: Schließlich sind jetzt ein paar interessante neue Tools im Werkzeugkasten, die richtig und vor allem auch effizient eingesetzt werden wollen. Sie erfordern, dass man sich intensiv mit ihnen beschäftigt, dass man ihre Eigenheiten, ihre Stärken und Schwächen exakt kennt und sie auch entsprechend behandelt. Denn emotionsfrei betrachtet sind additive Verfahren letztlich auch nur Bausteine in einer Prozesskette – so, wie es Drehen, Fräsen oder Erodieren auch sind. Und sie eröffnen gerade den gut ausgebildeten Fachkräften hierzulande neue Chancen. Wenn sie bereit sind, sich auf die neuen Technologien und ihre Möglichkeiten einzulassen.
Richard Pergler

Dabei gibt es auch diese Anwendungen längst. Anwendungen, die sich so nur per additiver Technologie realisieren lassen. Oder die eben den Charme haben, mit diesen Verfahren besonders wirtschaftlich zu sein. Additive Verfahren arbeiten werkzeuglos, schnell und ohne Materialverlust. Das macht sie klassischen zerspanenden oder umformenden Technologien in vielem überlegen, da im Großen und Ganzen abgesehen von eventuell erforderlichen Stützstrukturen nur jenes Material „verbraucht“ wird, aus dem letztlich das gewünschte Produkt besteht. Auch wenn im Bauprozess ein Vielfaches des dafür notwendigen Volumens verwendet werden muss – das Material, das nicht zum Produkt verfestigt wird, lässt

MBFZ Werkzeugkomponenten

MBFZ toolcraft fertigt unter anderem Werkzeugkomponenten mit konturnaher Kühlung – zum Temperieren kritischer Werkzeugbereiche.

sich in der Regel mit kleinem Aufwand aus dem Bauraum entfernen und wiederverwenden.

Neben der Materialersparnis ist die komplett werkzeuglose Fertigung eine der großen Trumpfkarten der additiven Verfahren: Für die Fertigung von sonst zerspanend hergestellten Bauteilen bedeutet das, dass Kosten für die oft aufwändige Werkzeuglogistik inklusive Bereitstellung und Einmessen entfallen. Bei Kunststoff- und Druckgussteilen fällt die oft sehr aufwändige Herstellung der Spritzgieß- oder Druckgusswerkzeuge weg. Und in der Gießereitechnik ersparen additiv erstellte Kerne eine Menge teurer Handarbeit. Hier lassen sich mit den neuen Technologien oft große Vorteile in Bezug auf Zeit und Kosten erzielen, meist dann, wenn es um relativ kleine Losgrößen geht.

Ein weiterer nicht zu unterschätzender Pluspunkt ist, dass es sich bei additiven Technologien um komplett digitale Prozessketten handelt. Bei auf Werkstücken aus übereinander liegenden Schichten basierenden Technologien wird das 3D-Volumenmodell je nach Verfahren in zahlreiche Ebenen unterteilt, die dem Herstellungsprozess als Basis dienen. Andere Verfahren verwenden komplexere Software, um Teilegeometrien für die additiven Technologien entsprechend aufzubereiten – teilweise automatisch.

Aufwändige Werkstückgeometrien

Mapal Rohlinge

Von eckig auf rund – additive Verfahren schaffen den fließenden Übergang mühelos.

Der klassische Einsatzfall für additive Technologien indes sind Werkstückgeometrien, die sich mit anderen Verfahren nur sehr aufwändig oder gar nicht herstellen lassen. So können beispielsweise Werkstücke gebaut werden, die in ihrem Inneren schon ab Fertigung Hohlstrukturen aufweisen und nur dort über Material verfügen, wo es beispielsweise aufgrund der am Werkstück angreifenden Kräfte auch notwendig ist. Hinterschnitte sind in der Regel ebenfalls kein Problem. Für Formenbauer interessant ist die Möglichkeit, statt über gerade Bohrungen, die oft nur in kleinen Bereichen an der Kontur entlang verlaufen und sonst fern der Kavität liegen, konturnah zur Werkzeugoberfläche Kühlkanäle mit einzusintern – so kann der Bereich eines Werkzeugs, der in einem Zyklus erwärmt und wieder abgekühlt werden muss, auf ein Minimum beschränkt werden. Das sorgt für immense Energieeinsparungen und vor allem für deutlich kürzere Zykluszeiten.

Trends µ-genau

Verschiedene Verfahren

Die additiven Verfahren lassen sich grob und ohne Anspruch auf Vollständigkeit nach verschiedenen Kriterien gliedern – etwa nach dem Ausgangszustand des Materials, aber auch nach der eingesetzten Technologie. Bei flüssigem Ausgangsmaterial führt die Behandlung mittels Laserstrahl zur selektiven Aushärtung des Materials in einem Flüssigkeitsbad – Beispiel ist die Stereolithographie. Bei Verfahren mit festem Ausgangsmaterial liegt dieses entweder als Draht, Pulver oder Granulat oder aber als Folie vor. Beim Draht wird das Material beispielsweise per Heizdüse (Fused Layer Modeling) oder in einem Schweißprozess (Laserauftragschweißen) verflüssigt und erstarrt im Anschluss an der gewünschten Position. Folien werden per Laser oder in einem Schneid- oder Stanzprozess zugeschnitten und anschließend miteinander verklebt, so dass eine räumliche Struktur entsteht. Und Pulver oder Granulat kann etwa in einem Pulverbett aufgetragen und dann per selektivem Lasersintern (SLS) oder Selektivem Laserschmelzen (SLM) aufgeschmolzen werden, bei der anschließenden Verfestigung entstehen die gewünschten Strukturen im Pulverbett.

Im Prototypenbereich lassen sich inzwischen sowohl in Metall als auch in Kunststoff teilweise mit nahezu serienidentischen Werkstoffpulvern auch direkt Funktionsmuster schaffen, mit denen sich exakte Aussagen auch für die Teile aus der Großserie treffen lassen. Ansichtsmuster in verschiedenen Maßstäben lassen sich additiv oft deutlich schneller erstellen als mit konventionellen Methoden – inzwischen abhängig vom eingesetzten Verfahren auch in vergleichbarer Qualität. Insbesondere im Kunststoffbereich lassen sich Werkzeugeinsätze additiv herstellen, unter anderem aus technischen temperatur- und druckfesten Kunststoffen. Sie sind inzwischen eine ernstzunehmende Alternative zu aus Aluminium gefrästen Prototypenwerkzeugen, Anfangsinvestitionen bei Produktevaluierungen und -anläufen lassen sich so ebenso minimieren wie die vielbeschworene „Time-to-Market“.

Ein Sonderfall der Prototypenfertigung folgt dem Trend, dass jeder zwar bewährte Produkte haben möchte, aber bitteschön doch in möglichst individueller Ausprägung. Hier können die additiven Verfahren ihre Stärken ausspielen, es lassen

Mapal Rohlinge

Mapal nutzt additiv gefertigte Rohlinge für eine neue Geometrie-freiheit bei High-tech-Bohrwerkzeugen.

sich ohne großen Aufwand individuelle Merkmale in eine Konstruktion einbringen und Teile kundenspezifisch anfertigen. Dazu gehört beispielsweise auch die schnelle und maßgeschneiderte Anfertigung von medizinischen Implantaten oder Zahnersatz – das ist längst schon Realität. Eine weitere Anwendung in diesem Bereich kann beispielsweise die Anfertigung von Ersatzteilen auf zertifizierten Systemen vor Ort sein – damit lassen sich Lagerhaltung und Logistik drastisch minimieren.

Bei allem technischen Fortschritt: Die Bedienung dieser hochkomplexen Anlagen gehört in die Hände von Profis. Die Vi-sion, dass hier ganze Berufszweige um ihre Existenz bangen müssen, teilen Experten nicht. Denn es gehört auch hier sehr viel Wissen und Erfahrung dazu, optimale Ergebnisse von der Maschine zu bekommen. Oft erfordern die Werkstücke in einem nachgeschalteten Arbeitsgang einen zerspanenden Prozess. Oder es ist sinnvoll, beispielsweise bei einer konturnahen Kühlung die unkritischen Bereiche klassisch aus einer Stahlplatte zu fräsen und nur die kritischen Bereiche in der Formkontur aufzusintern. Hier ist sehr viel Know-how gefordert. Bis soviel Intelligenz und Technik in den Geräten steckt, dass auch Nichtfachleute Ergebnisse erzielen, die unseren hohen Erwartungen etwa an die Produktqualität entsprechen, werden wir wohl noch einige Jahrzehnte warten müssen. Und unseren Earl Grey selbst brühen. Klassisch und konventionell.

 

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