Digital vernetzter Werkzeugbau.

Zielbild des digital vernetzten Werkzeugbaus. (Bild: WBA)

"Bitte jetzt rechts abbiegen!" Dieser charakteristische Spruch prägt den Alltag von vielen Autofahrenden und ist das Resultat einer satellitengestützten Navigation. Satellitennavigationssysteme ermöglichen durch ein lückenlos vernetztes System aus Satelliten und Bodenstationen eine kontinuierliche Ortung von Objekten. Dadurch werden effiziente Abläufe in der Koordination von Verkehrsströmen möglich.

Die Analogie von vernetzten Satellitensystemen für die Erfassung und den Austausch von Daten kann auch auf Unternehmen übertragen werden. Begrifflichkeiten wie die digitale Vernetzung und Industrie 4.0 sind bereits seit einigen Jahren allgegenwärtig, jedoch in der Praxis nach wie vor unzureichend umgesetzt. Vor allem ist dies darauf zurückzuführen, dass Unternehmen die notwendigen Voraussetzungen nicht geschaffen haben - im Besonderen auch in der Branche Werkzeugbau.

Weshalb Sie die IT-Infrastruktur nicht vernachlässigen sollten

Zur Realisierung von wertschöpfungs- und marktseitigen Potenzialen, im Kontext der digitalen Vernetzung, ist die Sicherstellung einer durchgängigen Datenbasis unumgänglich. Zumeist fehlt es jedoch an einer zukunftsfähigen IT-Infrastruktur, welche die notwendige Daten- und Informationsdurchgängigkeit sicherstellt. Gerade im Werkzeugbau wird der systematische Aufbau einer IT-Infrastruktur nicht ausreichend fokussiert. Bedingt wird dies durch die überwiegende klein- und mittelständische Prägung der Branche Werkzeugbau und den damit einhergehenden fehlenden Kapazitäten.

Die Berücksichtigung der Informationstechnik ist jedoch unabdingbar für die digitale Vernetzung und stellt die Basis für den Gesamterfolg sämtlicher Aktivitäten und Bestrebungen der digitalen Vernetzung dar. Um dieses Defizit anzugehen, hat die Aachener Werkzeugbau Akademie (WBA) in Zusammenarbeit mit dem Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen ein Zielbild für den digital vernetzten Werkzeugbau entwickelt und erfolgreich mit Werkzeugbaubetrieben erprobt.

Das sind die Unterschiede zwischen IT und Anwendenden

Das Zielbild berücksichtigt dabei die besondere Situation des Werkzeugbaus und gliedert dessen Prozesskette in die industrielle Wertschöpfung ein. Unterschieden wird zwischen der Anwendersicht und der IT-Sicht. Die Anwendersicht beschreibt dabei den Zielzustand einer Steigerung des Kundennutzens durch datenbasierte Dienstleistungen wie etwa Predictive Maintenance. Ergänzt wird die Anwendersicht um die Betrachtung von wertschöpfungsseitigem Nutzen. Dieser wird beispielsweise durch die Integration intelligenter Entscheidungsfindung zur Identifikation und Adressierung von Optimierungspotenzialen im Werkzeugerstellungsprozess erreicht.

Die IT-Sicht beschreibt dagegen die technischen Voraussetzungen für die Anwendersicht. Der Fokus liegt auf der Schaffung der notwendigen Infrastruktur, die zur Realisierung der Anwendersicht erforderlich ist. Dazu wird die IT-Sicht in drei Ebenen unterteilt: Datenquellen, Middleware und Datenanalyse.

Drei Ebenen aus IT-Sicht.
Die drei Ebenen aus IT-Sicht. (Bild: WBA)

1. Ebene: Datenquellen identifizieren

Das Ziel der ersten Ebene besteht darin, alle relevanten Datenquellen entlang der Prozesskette im Werkzeugbau zu identifizieren. Datenquellen sind Entstehungs- und Bereitstellungspunkte von Daten im Betrieb und können zum Beispiel CAD-Dateien, Prozessdaten sowie Kundendaten sein. Da die Menge auszuwertender Daten enorm groß sein kann, ist eine gezielte Auswahl der Datenquellen in Bezug auf den gewünschten Anwendungsfall sinnvoll.

Besonders der Werkzeugbau ist von vielen heterogenen Datenquellen und -formaten geprägt. Dies ist zum einen bedingt durch die vielfältige Softwarelandschaft entlang der Prozesskette. Darüber hinaus trägt der heterogene Maschinenpark mit Systemen vieler verschiedener Hersteller, Baujahre und Maschinentypen maßgeblich dazu bei.

Neben der Identifikation von Datenquellen ist es auch hilfreich, bestehende Schnittstellen zum Zugriff auf die Daten zu identifizieren. Es soll in dieser Ebene ein Konsens entstehen, welche Datenquellen für den Anwendungsfall gebraucht werden und wie auf die Datenquellen zugegriffen werden kann.

2. Ebene: Daten nutzbar machen

Der Zugriff auf die Datenquellen wird in der zweiten Ebene umgesetzt. Das Ziel ist die Nutzbarmachung der verschiedenen Daten für die späteren Anwendungsfälle. Dazu ist häufig eine sogenannte Middleware notwendig, die eine Schicht zwischen den Datenquellen und der späteren Anwendung darstellt. Die Aufgabe der Middleware ist die Bündelung der Daten aus den in der ersten Ebene gesammelten Datenquellen und die Bereitstellung über eine einheitliche Schnittstelle an nachfolgende Anwendungen.

3. Ebene: Daten analysieren

Nachdem durch die Homogenisierung der Datenquellen eine einheitliche Datenbasis geschaffen wurde, müssen die Rohdaten ausgewertet werden, um einen Nutzen erzielen zu können. Je nach Anwendungsfall und Komplexität gibt es verschiedene Möglichkeiten zur Datenanalyse. Diese reichen über Tools wie Microsoft Excel, cloudbasierte Dienste wie Amazon Web Services bis hin zu individuell programmierten Lösungen.

Das Vorgehen der Datenanalyse ist unabhängig von der gewählten Lösung immer ähnlich und umfasst unter anderem die folgenden Schritte: Verständnis des Ziels der Datenanalyse, Verständnis der vorliegenden Daten, Datenvorbereitung, Anwendung von Algorithmen zur Datenanalyse und letztendlich die technische Umsetzung. Aus den Ergebnissen der Datenanalyse kann dann mit Anwendungen zur intelligenten Entscheidungsfindung ein Mehrwert generiert werden.

Weiterführende Informationen und Beschreibungen – und wie genau Sie mit ihrem Betrieb von digitaler Vernetzung profitieren können - finden Sie in der kostenlosen Studie ‚IT-Infrastruktur zur digitalen Vernetzung im Werkzeugbau‘ der WBA. Die Studie enthält einen detaillierten Leitfaden zur Realisierung einer zukunftsfähigen IT-Infrastruktur in Werkzeugbaubetrieben.

Autoren: Prof. Dr. Wolfgang Boos (MBA, Geschäftsführender Gesellschafter, WBA Aachener Werkzeugbau Akademie); Dr. Christoph Kelzenberg (Lehrstuhl für Produktionssystematik, WZL der RWTH Aachen); Christoph Ebbecke (Lehrstuhl für Produktionssystematik, WZL der RWTH Aachen); Bernd Haase (Lehrstuhl für Produktionssystematik, WZL der RWTH Aachen)

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