Nachhaltigkeit in allen Facetten wird zukünftig für den Werkzeugbau ein Wettbewerbsfaktor sein.

Nachhaltigkeit in allen Facetten wird zukünftig für den Werkzeugbau ein Wettbewerbsfaktor sein. (Bild: frank peters - stock.adobe.com)

Gesellschaft, Politik und insbesondere Kunden fordern von ihren Zulieferern zunehmend nachhaltiges Handeln. Zahlreiche Kunden haben diese Forderung bereits in ihren Lieferantenaudits oder Verhaltenskodexen integriert, sodass das Kriterium Nachhaltigkeit von der Kundenforderung zur gesetzlichen Verpflichtung wird.

Für den Werkzeugbau kann dies jedoch nicht nur eine weitere Herausforderung, sondern gleichermaßen eine Chance zur Differenzierung im Wettbewerb bedeuten. Bislang wurden Werkzeuge lediglich über den Preis bewertetet. In Zukunft kann erwartet werden, dass der Serienproduzent neben dem Preis seine Kaufentscheidung für ein Werkzeug auch von dessen Nachhaltigkeitsperformance abhängig machen wird, um die eigene Nachhaltigkeitsbilanz weiter zu optimieren. Der deutsche Werkzeugbau sieht sich folglich mit der Herausforderung konfrontiert, sein Leistungsportfolio sowie seine Wertschöpfung nachhaltig zu gestalten.

Viele Unternehmen stellt dies jedoch vor große Herausforderungen. Häufig ist sowohl die Messung von Nachhaltigkeit als auch die konkrete Auswahl von Maßnahmen zur Steigerung der eigenen Nachhaltigkeit, jenseits von der Verwendung erneuerbarer Energien, nicht hinreichend bekannt.

Unternehmensintern stellt das Nachhaltigkeitsmanagement das übergeordnete Handlungsfeld dar. Dieses überführt die nachhaltigkeitsbezogenen Anforderungen der Stakeholder in eine zukunftsgerechte Unternehmensstrategie und stellt deren Umsetzung sicher. Den ökologischen und sozialen Forderungen der Stakeholder steht dabei die traditionelle ökonomische Herausforderung des wirtschaftlichen Erfolgs gegenüber.

Das einzelne Unternehmen muss daher einen ‚Business Case for Sustainability‘ entwickeln. Ziel ist die Steigerung des Unternehmenswerts bei gleichzeitiger Berücksichtigung von Forderungen nach Umweltschutz und Sozialmanagement. Es bedarf der Entwicklung eines strukturierten Prozesses zum Aufbau und zur Durchführung eines kontinuierlichen Controllings von Nachhaltigkeitszielen. Der zentrale Bestandteil des Nachhaltigkeitscontrollings stellt der CO2-Fußabdruck des Unternehmens (Engl. Company Carbon Footprint, CCF) dar.

Im Sinne des ‚Business Case for Sustainability‘ muss die im Unternehmen gesteigerte und beispielsweise der im CCF messbar gemachte CO2-Fußabdruck für den Kunden transparent gemacht werden. Werkzeuge stellen durch hohe Materialmengen und komplexe Fertigungsprozesse ressourcenaufwendige Investitionsgüter dar, weshalb die CO2-Emissionsbilanz des Kunden durch eine nachhaltig ausgerichtete Werkzeugbeschaffung in hohem Maße positiv beeinflusst werden kann. Inwiefern ein Werkzeug jedoch nachhaltig hergestellt wird, konnte bisher nicht nachvollzogen werden.

Daher muss die Transparenz und Messbarkeit von Nachhaltigkeit, insbesondere der CO2-Emissionen, sichergestellt werden. Diese Schaffung von Transparenz und Messbarkeit stellt sich jedoch im Kontext der Werkzeugbeschaffung als herausfordernd dar. In der Praxis existiert bislang keine allgemein anerkannte Berechnungsmethode für die Berechnung des CO2-Fußabdrucks für Werkzeuge (Product Carbon Footprint, PCF). Zudem stehen nur begrenzt Möglichkeiten der fälschungssicheren Bereitstellung der berechneten CO2-Emissionen zur Verfügung. Mithin ist eine neutrale Instanz zur Quantifizierung, Zertifizierung und Bereitstellung der Berechnung notwendig.

Bestimmung der CO2-Emissionen eines Werkzeugs.
Zahlreiche Einflussfaktoren müssen bei der Bestimmung der CO2-Emissionen eines Werkzeugs berücksichtigt werden. (Bild: WBA)

Die WBA Aachener Werkzeugbau Akademie hat in diesem Zusammenhang einen CO2-Werkzeugpass und die zugrundeliegende Berechnungslogik der tatsächlich emittierten CO2-Emissionen bei der Herstellung eines Werkzeugs entwickelt. Dazu wurden werkzeugbauspezifische Fertigungscharakteristika abgeleitet und diese durch Kennzahlen und Emissionsfaktoren beschrieben. Für die Berechnung der CO2-Emissonen eines Werkzeugs müssen zahlreiche Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Diese Emissionen werden nach dem Greenhouse Gas Protocol (GHG) in die drei Gruppen (Scopes) direkte, indirekte und sekundäre Emissionen gegliedert.

Nicht alle Emissionen können dem Werkzeug direkt zugeordnet werden. Eine Möglichkeit ist daher die Umlage der Gesamtemissionen eines Unternehmens aus dem CCF über die Eigenkosten des Werkzeugs. Durch die transparente Darstellung der Emissionsbilanz eines Werkzeugs kann bei der Beschaffung im erweiterten Zieldreieck zwischen Kosten, Qualität, Zeit und Nachhaltigkeit fundiert entschieden werden. Der nachhaltige Werkzeugbau kann somit messbar den Nachhaltigkeitsanforderungen der Kunden begegnen und gewinnt einen neuen wichtigen Differenzierungsfaktor neben dem Werkzeugpreis.

Der vorgestellte CO2-Werkzeugpass berücksichtigt bisher die Werkzeugerstellung von der Wiege zum Werkstor (‚Cradle-to-Gate‘). Insbesondere in der Nutzungsphase der Werkzeuge ergibt sich ein enormer Hebel zur Steigerung der Nachhaltigkeit des gesamten Ökosystems. In der Betrachtung des Werkzeuglebenszyklus fallen hier zirka 85 Prozent des Primärenergiebedarfs sowie ein Großteil der Emissionen an. Daher ist es das Ziel der WBA die Bilanzgrenzen auf den gesamten Lebenszyklus des Werkzeuges, von der Wiege bis zur Bahre (‚Cradle-to-Grave‘), zu erweitern.

Nachhaltigkeit in allen Facetten wird zukünftig für den Werkzeugbau ein Wettbewerbsfaktor sein. Wichtig ist, dass Werkzeugbaubetriebe befähigt sind ihre eigene Nachhaltigkeitsbilanz zu erstellen. Damit können die Unternehmen auf die erwartenden Veränderungen der Anforderungen von Stakeholder hinsichtlich der Nachhaltigkeit reagieren oder bereits vorher Maßnahmen einleiten.

Weiterführende Informationen und Beschreibungen zur Messung von Nachhaltigkeit als auch die konkrete Auswahl von Maßnahmen zur Steigerung der eigenen Nachhaltigkeit finden sich in der kostenlosen Studie ‚Wettbewerbsfaktor Nachhaltigkeit‘ der WBA.

Autoren: Prof. Dr. Wolfgang Boos (MBA, Geschäftsführender Gesellschafter, WBA Aachener Werkzeugbau Akademie); Gerret Lukas (Leiter Industrieberatung – Organisation, WBA Aachener Werkzeugbau Akademie), Bernd Haase (Lehrstuhl für Produktionssystematik, WZL der RWTH Aachen), Riccardo Calchera (Lehrstuhl für Produktionssystematik, WZL der RWTH Aachen)

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