Zielbild: Nachhaltigkeitsmanagement im Werkzeugbau.

Zielbild: Nachhaltigkeitsmanagement im Werkzeugbau. (Bild: WBA)

Die weltweite Produktion befindet sich in einem Wandel, der sämtliche Glieder der Wertschöpfungskette betrifft. Während im letzten Jahrhundert die Produktion von Gütern vor allem auf ökonomische Effizienz getrimmt wurde, spielte Nachhaltigkeit nur eine untergeordnete Rolle. Überproduktion und Überkapazitäten in Folge der ökonomischen Effizienzsteigerung im Rahmen der Industrialisierung ermöglichten das Heben ökonomischer Potenziale unter gleichzeitig massiver Beeinflussung der Umwelt und geringer Berücksichtigung sozialer, sowie ökologisch-technologischer Nebeneffekte.

Die Politik, die Gesellschaft, aber auch die Kundinnen und Kunden haben dies erkannt und fordern zunehmend nachhaltigere Produkte, welche auch auf nachhaltigerem Wege produziert wurden. Dieses gesteigerte Bewusstsein für Nachhaltigkeit im Sinne von Umweltschutz und sozialverträglicher Fertigung ist, gemeinsam mit ökonomischer Effizienz, die Basis eines modernen Produktionsverständnisses.

Auch an den Kapitalmärkten wird das zunehmende Nachhaltigkeitsbewusstsein der Stakeholder aus Politik und Gesellschaft den Unternehmen konsequent vor Augen geführt. Die Relevanz der Produktion von nachhaltigen Gütern wird von der Politik über ökonomische Anreize wie der Bepreisung von CO2-Emissionen durch die Ausgabe von CO2-Zertifikaten noch verstärkt. Der Druck auf das produzierende Gewerbe, diesen Anforderungen gerecht zu werden, kann durch nachhaltige Ansätze entlang der gesamten Wertschöpfungskette reduziert werden.

Eine Produktionswende hin zu einer nachhaltigeren Wertschöpfung erfordert einen Business-Case, der Nachhaltigkeit explizit berücksichtigt und somit das bisherige zeit- und kostengeprägte Effizienzverständnis erweitert. Diese Erweiterung der finanziellen Bewertungskriterien um eine Nachhaltigkeitsbewertung der Unternehmen kann beispielsweise anhand der bekannten ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) erfolgen. In diesem Fall wird eine Steigerung des Unternehmenswert ebenfalls durch soziale und ökologische Aspekte ermöglicht.

Prozess zur Entwicklung und zum Controlling von Nachhaltigkeitszielen.
Prozess zur Entwicklung und zum Controlling von Nachhaltigkeitszielen. (Bild: WBA)

Relevanter Wettbewerbsfaktor

Durch seine Position zu Beginn der Wertschöpfungskette kann ein nachhaltigerer Werkzeugbau als Befähiger für eine nachhaltigere Produktion fungieren und stellt dadurch für seine Kunden einen relevanten Wettbewerbsfaktor dar. Werkzeugbaubetriebe, die diese Position einnehmen möchten, müssen das Spannungsfeld aus ökonomischer Effizienz einerseits und sozialer sowie ökologischer Effizienz andererseits meistern. Dazu ist eine Betrachtung der beteiligten Stakeholder aus Lieferanten, Politik und Gesellschaft, Kunden und Kapitalgebern notwendig. Ein gezieltes Nachhaltigkeitsmanagement bindet außerdem die Mitarbeitenden als relevante Stakeholder ein und stellt sicher, dass das Leistungsspektrum angemessen systematisch gestaltet wird.

Darüber hinaus müssen die Nutzung der relevanten Ressourcen und die internen Prozesse mit den Nachhaltigkeitszielen im Einklang stehen. Die für das Nachhaltigkeitsmanagement formulierten Nachhaltigkeitsziele müssen messbar sein und ihre Erreichung konstant überwacht und gesteuert werden. Ein solches Ziel ist beispielsweise das Ziel der EU, die Emission bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken.

Übertragen auf einen nachhaltigeren Werkzeugbau, kann ein Ziel beispielsweise die Reduktion der CO2-Emissionen um 30 Prozent, abgesichert durch die Ausweisung des CO2-Footprints eines Werkzeuges, sein. In einer Welt, in der die Politik die Erreichung der Klimaziele über die Bepreisung der CO2-Emissionen steuert, wird für den Werkzeugbau in Zukunft der Zugang zu Kapital vereinfacht, wenn dieser nachweisen kann, welchen CO2-Footprint ein Werkzeug dem Produkt aufdrückt.

Einflussfaktoren auf die CO2-Emissionen eines Werkzeuges.
Einflussfaktoren auf die CO2-Emissionen eines Werkzeuges. (Bild: WBA)

Reduktion von Emissionen

Ein Instrument dazu kann der von der WBA Aachener Werkzeugbauakademie entwickelte CO2-Werkzeugpass sein. Dieser stellt eine Systematik bereit, anhand derer die Emissionen der Werkzeugherstellung von der Wiege bis zum Werkstor (‚Cradle-to-Gate‘) als CO2-Äquivalente ausgewiesen werden können. Dazu werden die Emissionen in drei in der Industrie bereits etablierten Kategorien, den direkten Emissionen, den indirekten Emissionen und den sekundären Emissionen ausgewertet und in CO2-Äquivalente umgerechnet. Unternehmen erhalten durch die Ausweisung und Umrechnung dieser Emissionen in CO2-Aäquivalenten eine dezidierte und einheitliche Auswertung sämtlicher Einflüsse auf ihre Werkzeugherstellung.

Eine solche Auswertung ermöglicht es Werkzeugbaubetrieben, explizit solche Emissionen zu verringern, die signifikanten Einfluss auf den CO2-Fußabdruck eines Werkzeuges ausüben oder einfach zu verringern sind. Darüber hinaus wird eine Übertragung von allgemein anfallenden Emissionen auf die gesamte Werkzeugherstellung möglich.

Durch die gezielte Adressierung von Nachhaltigkeitsaspekten, wie beispielsweise der Reduktion von Emissionen können Werkzeugbaubetreibe ihre Kunden zur Bewältigung der erforderlichen Produktionswende befähigen. Werkzeugbaubetriebe müssen jedoch zunächst die veränderten Anforderungen ihrer Stakeholder verstehen, um die Potenziale der Nachhaltigkeit realisieren zu können. In Zukunft wird durch den politisch festgelegten, steigenden Preis der Emissionszertifikate der Einfluss der Nachhaltigkeit eines Produktes auf dessen Wert signifikant steigen.

Werkzeugbaubetriebe können sich in diesem Feld von ihren Konkurrenten unterscheiden, wenn sie eine präzise Ausweisung des CO2-Fußabdrucks ihrer Werkzeuge ermöglichen. Auf der Grundlage einer solchen CO2-Bilanzierung für ihre Werkzeuge werden die Werkzeugbaubetriebe befähigt, Handlungsfelder zur Steigerung ihrer Nachhaltigkeit zu identifizieren. Die Etablierung eines Nachhaltigkeitsmanagements, welches die verschiedenen Stakeholder und die Dimensionen der sozialen, der ökologischen und der ökonomischen Nachhaltigkeit beinhaltet, stellt den nächsten Schritt hin zu einem nachhaltigeren Werkzeugbau dar.

Damit ist ein solches Nachhaltigkeitsmanagement für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsmaßnahmen und das Nachhaltigkeitscontrolling verantwortlich. Dieses schrittweise Vorgehen muss regelmäßig neu justiert und an die neu erarbeiteten Ziele angepasst werden.

Weitergehende Informationen zum Thema Nachhaltigkeit im Werkzeugbau, konkrete Maßnahmen zur Steigerung der eigenen Nachhaltigkeit und Informationen zu unserem CO2-Werkzeugpass gibt es auf der Website der WBA Aachener Werkzeugbau Akademie.

Autoren: Prof. Dr. Wolfgang Boos (MBA, Geschäftsführender Gesellschafter, WBA Aachener Werkzeugbau Akademie); Gerret Lukas (Leiter Industrieberatung – Organisation, WBA Aachener Werkzeugbau Akademie); Julian Schweins (Senior Consultant, WBA Aachener Werkzeugbau Akademie); Matthias Oly (Lehrstuhl für Produktionssystematik, WZL der RWTH Aachen);    

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