Tangential-Rollkopf EVO­line

Tangential-Rollkopf EVO­line von LMT Fette mit additiv­ gefertigten Rollkopfscharnieren. - (Bild: LMT Fette)

Die additive Fertigung gewinnt in Forschung und Industrie immer mehr an Bedeutung. Im Rahmen des einjährigen Konsortialprojekts "Anforderungen an industrielle additive Prozessketten", ein gemeinsames Projekt unter der Leitung des Fraunhofer IPT und mit acht Unternehmen, identifizierte das Forscherteam rund um Dr.-Ing. Kristian Arntz, Marcel Prümmer, Moritz Wollbrink und Rainer Horstkotte geeignete Werkstücke und legte die entsprechende additive Prozesskette aus.

Auf Basis geometrischer und technologischer Werkstückeigenschaften wählte das Projektteam repräsentative Werkstücke und leitete die spezifischen Anforderungen für die additive Fertigung ab. Anschließend definierte das Team den additiven Prozess hinsichtlich Maschinenleistungsfähigkeit, Aufbaustrategie und Werkstoffauswahl – um einen Zeit- und Kostenvergleich durchzuführen, wurde die gesamte Prozesskette mitsamt der erforderlichen Nachbearbeitung ausgelegt. Diese Projektvorgehensweise hatte für die partizipierenden Unternehmen den Vorteil, dass sie die Potenziale der additiven Fertigung für das eigene Werkstückportfolio im gegenseitigen Austausch erschließen konnten.

Start einer Produktneuentwicklung

Für das Unternehmen LMT Fette Werkzeugtechnik war das Projekt der Beginn einer innovativen Produktentwicklung. Während des Projekts identifizierte LMT Fette Rollkopfscharniere eines tangentialen Rollkopfs für das Gewinderollen als Werkstücke zur additiven Fertigung. Der Rollkopf weist ein Größenspektrum von 1,6 bis 34 mm bei einer geforderten Oberflächenrauheit von Rz = 4 µm auf. Die Toleranzen bewegen sich im Bereich ± 0,01 mm. Als Rohmaterial wird ein Werkzeugstahl verwendet. Durch den Einsatz additiver Technologien ist es möglich, verstellbare Kühl- und Spüldüsen mit optimiertem Volumenstrom in die Rollkopfscharniere zu integrieren. Zudem kann durch simulationsgestützte Topologieoptimierung das Gewicht reduziert werden – bei gleichzeitiger Erhöhung der Bruchfestigkeit.

Profil

LMT Fette Werkzeugtechnik GmbH & Co. KG
LMT Fette ist Teil der LMT Tools Gruppe, die außerdem aus den Unternehmen LMT Belin, LMT Kieninger und LMT Onsrud besteht, und hat sich auf die Fertigung von Werkzeugen für das Herstellen von Gewinden mit dem Verfahren Gewinderollen spezialisiert. Produkte­ sind beispielsweise Achsschenkel für die Automotive-Branche oder verschraubte Zugstangen für die Bauindustrie. Beim tangentialen Gewinderollen werden zwei Rollen seitlich gegenüber einem runden Halbzeug zugestellt. Durch eine tangentiale Bewegung wird schließlich das Gewinde geformt.

Prozesskette und Kosten im Blick

Die Herausforderung beim Einsatz additiver Fertigungstechnologien besteht darin, die produktseitigen Vorteile bei gleichzeitiger Beherrschung der Prozesskette und der Kosten zu realisieren. Bei der Betrachtung der Prozessketten werden weitere Unterschiede von additiven Fertigungstechnologien gegenüber konventionellen ersichtlich.

Die konventionelle Prozesskette beginnt mit relativ kostengünstigem Rohmaterial, in das in einer Vielzahl von Prozessschritten die komplexe Geometrie mit hohem Zerspanungsvolumen eingearbeitet wird. Die Integration der additiven Fertigung lässt die Prozesskette mit einem relativ teuren, endkonturnahen 3D-Druck-Rohling starten, der in nur einer Aufspannung spanend bearbeitet wird.

Additiv gefertigte Halbzeuge und Vergleich der konventionellen mit der additiven Prozesskette
Additiv gefertigte Halbzeuge und Vergleich der konventionellen mit der additiven Prozesskette. - (Bild: IPT)

Die Prozessschritte der konventionellen Fertigung werden bei der additiven Prozesskette durch den schichtweisen Aufbau mit dem L-PBF-Verfahren (Laser Powder Bed Fusion) ersetzt. In dem Projekt konnte durch die parallele Produkt- und Prozessentwicklung, angepasst an die additive Fertigung, der Wertstrom von 16 Arbeitsschritten auf vier reduziert werden. Dadurch ließ sich die Bearbeitungszeit um über 80 Prozent verkürzen. Die Produktionskosten blieben durch das im parallel zur Produktentwicklung erarbeitete Fertigungskonzept stabil; das verbesserte Fertigungskonzept finanziert die Mehrkosten des 3D-Druck-Rohlings. Herausforderungen, die gelöst werden mussten, stellten insbesondere das Spannkonzept, das Referenzieren und die prozesssichere Fräsbearbeitung dar.

Additive Fertigung: viel Potenzial und große Herausforderungen

Insgesamt verdeutlichen die Projektergebnisse die Potenziale additiver Fertigungstechnologien. Vor allem in Hinblick auf Produktindividualisierung und Funktionsintegration offenbart die Herstellung topologieoptimierter Werkstücke die Vorteile der additiven Fertigung: Auch komplexe, innenliegende Werkstückkonturen lassen sich mithilfe additiver Fertigungstechnologien umsetzen. Vorteile ergeben sich insbesondere in der Produktion eines additiv gefertigten Werkstücks – und dazu zählt die gesamte Prozesskette, inklusive einer Weiterbearbeitung des Werkstücks. ta

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