Vereint konkurrenzfähig

Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) oder Low-Cost-Countries (LCC) sind Begriffe, mit denen sich auch der deutsche Werkzeug- und Formenbau seit geraumer Zeit konfrontiert sieht. Kooperationen mit diesen Ländern haben das Ziel der globalen Beschaffung und das Ausnutzen von Kostenvorteilen, um langfristige Wettbewerbsvorteile zu erreichen.

Die globale Beschaffung wird von deutschen Unternehmen, vor allem dem Werkzeug- und Formenbau, sehr skeptisch betrachtet, denn es sind speziell Projektgesellschaften, die Werkzeuge im Kundenauftrag in Niedriglohnländern fertigen lassen und mit der Lieferung des Werkzeugs den Job als erfüllt betrachten. Bei dieser Werkzeugbeschaffung wird für die einwandfreie Funktionalität, etwaige Änderungen oder auch notwendige Optimierungen oft keine Verantwortung mehr übernommen. Zumindest müssen fremde Werkzeugbaubetriebe angesprochen werden, ob sie diese Maßnahmen durchführen können und wollen.

Das sagt der Autor

Aus der Not eine Tugend machen
Die Auftragsvergabe in Niedriglohnländer hat nicht nur ein „Gschmäckle“, sondern wird häufig auch schon als „Vaterlandsverrat“ betrachtet. Das Problem ist aber nach wie vor, dass viele Projekte über den Preis und von Einkäufern vergeben werden. Wie soll sich der Werkzeug- und Formenbau also dagegen wehren? Aus der Not eine Tugend machen. Der Werkzeugbau Rebhan hat den taiwanesischen Partner über Jahre geschult und aufgebaut. Das Ergebnis ist, dass man bei der Vergabe von Baugruppen inklusive aller Werkzeugpakete wettbewerbsfähig ist. Da einige Werkzeuge plus der Änderungen und Optimierungen in Kronach hergestellt werden, sichert man hier Arbeitsplätze und kann zusätzlich noch Erträge generieren.
Manfred Lerch

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Die Angebote auf Basis der rein deutschen Lohnkosten waren den Auftraggebern zu kostenintensiv. Eine Mischkalkulation, also eine Aufteilung der Pakete und die Produktion einzelner Werkzeuge in einem Niedriglohnland war deshalb die folgerichtige Strategie.

Ganzheitlicher Ansatz
Mit einem völlig anderen, ganzheitlichen Konzept arbeitet der Rebhan Werkzeugbau in Kronach: Er verspricht ein „Rundum-sorglos-Paket“. Die Werkzeuge, in der Regel Spritzgießwerkzeuge, werden in Kronach kons­truiert und in Taiwan gefertigt, dort durchlaufen sie auch eine erste Korrekturschleife.

Sind die Werkzeuge in Deutschland, werden Sie erneut bemustert. Im Anschluss können die eventuell notwendigen Änderungen oder weitere Optimierungen in Kronach ausgeführt werden.

Eine Strategie, die zunächst vielleicht so manchem deutschen Werkzeug- und Formenbauer gar nicht gefallen mag. In Kronach aber entstand dieses Vorgehen aus einer Not heraus: Einige Kunden wollten bei der Vergabe von Baugruppen mit 10 bis 20 Werkzeugen den Auftrag unbedingt in einer Hand wissen. Die Angebote auf Basis der rein deutschen Lohnkosten waren den Auftraggebern allerdings zu kostenintensiv. Für Geschäftsführer Uwe Wirth war deshalb einen Mischkalkulation, eine Aufteilung der Pakete und die Produktion einzelner Werkzeuge in einem Niedriglohnland, die folgerichtige Strategie.

Dank einer engen Kooperation mit einem taiwanesischen Werkzeug- und Formenbau konnte diese Strategie erfolgreich in die Tat umgesetzt werden – das war vor rund neun Jahren. Der taiwanesische Formenbau beschäftigt etwa 50 Mitarbeiter und kann zudem in unmittelbarer Nähe auf spezialisierte, verlängerte Werkbänke zurückgreifen.

Trends µ-genau

Lieferzeit nicht vergessen
Bei den Lieferzeiten nach Erstbemusterung und Nacharbeit in Taiwan muss eine Transportzeit von etwa fünf bis sechs Wochen gerechnet werden. Während man per Luftfracht mit nur einer Woche rechnet, muss man dafür die wesentlich höheren Frachtkosten in Kauf nehmen. Für die Kunden von Rebhan, die sich für die Taiwan-Lösung entschieden haben, ist der zeitlich längere Transport aber kein Problem, da sie diese Zeiten bereits eingetaktet haben. Zudem wissen sie aufgrund der Musterteile und der nachgewiesenen Funktionstauglichkeit, dass das Werkzeug i. O. ist. Rebhan garantiert, dass die vereinbarten Termine immer eingehalten werden, was für die Kunden ein hohes Maß an Planungssicherheit bedeutet.

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Damit die Zusammenarbeit reibungslos funktioniert, ist zeitintensive Aufbauarbeit beim Partnerunternehmen sowie ein einheitliches, verbindlich etabliertes Qualitätsniveau notwendig.

„Obwohl wir schon vor Jahren sehr intensiv in die Automatisierung eingestiegen sind, waren wir einfach auf Grund der Lohnkosten, die zwischen 40 bis 50 Prozent der Gesamtkosten ausmachen, zumindest für manche Werkzeugkategorien nicht mehr wettbewerbsfähig“, erklärt Uwe Wirth. „Deshalb habe ich Gespräche mit asiatischen Werkzeugherstellern geführt. Die chinesischen Formenbauunternehmen mit 3000 und mehr Mitarbeitern waren mir aber etwas suspekt, denn da hätte ich mich als ein anonymer Kunde von vielen gefühlt und kaum Einfluss gehabt. In Taiwan habe ich dann das mittelständische Unternehmen gefunden, das weitestgehend meinen Vorstellungen entsprach.“

Taiwan fertigt auf annähernd gleichem Lohnniveau wie China. Zudem wird in Taiwan kein Visum benötigt: „Treten bei der Werkzeugerstbemusterung Probleme auf oder muss das Werkzeug kurzfristig geändert werden, kann ich meinen Aufenthalt verlängern“, erklärt Wirth. „Das geht bis zu 90 Tagen am Stück oder für 180 Tage im Jahr.“

Nun ist es nicht damit getan, sich nur einen Partner in einem LCC zu suchen und Aufträge zu vergeben. Damit die Zusammenarbeit ohne Qualitäts- und Reibungsverluste funktioniert, ist viel Geduld, zeitintensive Aufbauarbeit und ein einheitliches Qualitätsniveau notwendig. Ein Prozess, der, obwohl die Konstruktion überwiegend bei Rebhan liegt, mehrere Jahre in Anspruch nahm und nach wie vor „Nachjustierungen“ erfordert.

Die Einhaltung der Deutschen Normen und die Verwendung von Normteilen wurden ebenso durchgesetzt wie die Nachweispflicht (Zertifikate) der Stahlqualität. Deshalb ist der Werkzeugbau Rebhan auch dazu übergegangen, vereinzelt Normteile zusammen mit Heißkanälen oder Heißkanaldüsen nach Taiwan zu schicken. Eine Tatsache, die verdeutlicht, wie wichtig es ist, nach Auslieferung der Werkzeuge weiter Verantwortung zu übernehmen.

Profil

Rebhan Werkzeugbau GmbH
Das Unternehmen wurde 1946 als Schwaß Metallwerkstätten gegründet und 1981 in Rebhan Metallwerkstätten umbenannt. Seit 2003 firmiert die Firma unter „Rebhan Werkzeugbau GmbH“, um die Kernkompetenz deutlich zum Ausdruck zu bringen. Derzeit beschäftigt die Firma 65 Mitarbeiter. Dabei konzentriert man sich auf die Herstellung von Spritzgießformen (SGF) und Blasformen. Im Blasformenbau sieht man die besonderen Stärken in Extrusionsblasformen sowie Spritz-Blas- und Spritz-Streck-Blasformen. Bei den Spritzgießwerkzeugen dagegen sind das die Mehrkomponenten- und Hybrid-SGF, die Gasinnendruck-, Multikavitäten- und Tandem- oder Etagen-SGF für anspruchsvolle Sichtteile sowie technisch komplexe Werkstücke. Dem entsprechend gliedert sich auch der Kundenkreis des Unternehmens. Unter anderem zählen dazu die Branchen Automotive, Kosmetik, Verpackung, Konsumgüter, Elektro und Elektronik und, last but not least, die Medizintechnik. Die Kooperation mit dem Partnerunternehmen aus Taiwan besteht sehr erfolgreich seit 2004.

 

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Der taiwanesische Formenbau beschäftigt rund 50 Mitarbeiter und kann in unmittelbarer Nähe auf spezialisierte verlängerte Werkbänke zurückgreifen.

„Wenn ein Kunde eine bestimmte Schusszahl garantiert haben will, wird ihm das zwar von den asiatischen Firmen meist zugesagt“, erklärt Wirth. „Tritt nun innerhalb dieser Garantie ein Schaden am Werkzeug auf, kann man sich bei der Rechtslage in China sicher den Erfolg einer Nacharbeit oder gar einer Klage vorstellen. Sind außerdem Reparaturen für die Funktionalität eines Werkzeugs notwendig, werden die in Deutschland meist sehr kostenintensiv nach Aufwand berechnet. Dem kann man nur mit Qualitätsnachweisen und viel Engagement vorbeugen.“

Es ist ein Vorteil, dass die Werkzeuge in Deutschland konstruiert werden, obwohl auch das in LCCs kostengünstiger wäre. Allerdings spielt hier der Zeitfaktor eine Rolle: Änderungen und damit die Koordination mit Asien können Projekte teilweise erheblich verzögern. Wohl auch deshalb nehmen die Kunden von Rebhan die höheren Konstruktionskosten in Kauf. So ist es nach Auskunft von Uwe Wirth kein Problem, ab Konstruktionsfreigabe ein Werkzeug innerhalb von wenigen Wochen herzustellen – selbstverständlich immer abhängig von der Komplexität und Baugröße.

In der Belegschaft in Kronach ist die anfängliche Skepsis längst gewichen, nicht zuletzt dank der hohen Transparenz im Unternehmen. „Kooperiert man wie wir mit einem Partner aus einem Niedriglohnland, muss man die Mitarbeiter von Anfang an mit der Situation vertraut und Ihnen klar machen, dass hier keine Arbeitsplätze geopfert werden“, betont Wirth. „Im Gegenteil: Die Kooperation bietet uns die Möglichkeit, Werkzeugpaketaufträge zu erhalten, die wir ohne die Möglichkeit der Mischpreiskalkulation nicht bekommen hätten.“
Manfred Lerch

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