agsandrew - Fotolia

(Bild: agsandrew - Fotolia.com)

Termindruck, wachsende Komplexität, Konkurrenz aus Asien. Der Werkzeugbau von heute ist mehr denn je gefordert, den Überblick zu bewahren und seine Effizienz zu steigern. Dem stetig anwachsenden Wettbewerbsdruck begegnen erfolgreiche Werkzeugbaubetriebe seit einigen Jahren mit einer zunehmenden Industrialisierung. Ein Kernelement der industrialisierten Wertschöpfung im Werkzeugbau ist die Ausrichtung des Fertigungslayouts am Prozessfluss. Viele Werkzeugbaubetriebe realisieren mittlerweile die trotz der kundenindividuellen Erzeugnisse möglichen Vorteile, die eine Umgestaltung des Fertigungslayouts mit sich bringen kann. Dazu zählen insbesondere eine gesteigerte Transparenz sowie eine erhöhte Effizienz im Sinne von Termintreue und verkürzten Durchlaufzeiten.

Die Anordnung der Betriebsmittel basiert im Werkzeugbau häufig auf historischem Wachstum. Charakteristisch ist zudem die Unklarheit über die Fertigungsprozessfolgen unterschiedlicher Fertigungsaufträge. Dies führt in Verbindung mit langen Wegen und hohen Suchaufwänden zu Verschwendungen und Ineffizienzen. Um industrielle Strukturen umsetzen zu können, ist die Komplexität zu reduzieren, die aus der hohen Anzahl unterschiedlicher Fertigungsprozessfolgen resultiert. Grundlegend ist dabei die Standardisierung der Prozesse.

Zunächst ist eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem eigenen Auftragsspektrum notwendig. Die Fertigung unterschiedlicher Aufträge wird auf Bauteilebene betrachtet und als Menge von Fertigungsprozessfolgen dargestellt. In einem anschließenden Vergleich werden Überschneidungen der Prozessfolgen identifiziert, was die Bildung von Hauptprozessfolgen ermöglicht. Diese basieren auf dem aktuellen Bauteilspektrum. Bereits vorherzusehende Entwicklungen, die die Prozessfolgen betreffen, sollten bei ihrer Gestaltung berücksichtigt werden. Praxisbeispiele zeigen eindrucksvoll, dass Werkzeugbaubetriebe mit sechs bis acht Prozessfolgen mehr als 80 Prozent des Bauteilspektrums abdecken können.

WZB Prozesse

Schematische Darstellung der Definition von Hauptprozessfolgen

Auslastung und Flexibilität

Sinnvoll kann zudem eine Segmentierung des Auftragsspektrums und der Produktionsflächen sein. Die Grundidee ist die Trennung von planbaren und unplanbaren Aufträgen. Unter Berücksichtigung einer ausreichenden Maschinenkapazität wird ein Teil der Produktion ausschließlich zur Abwicklung unplanbarer Aufträge bestimmt. Aufgrund dieser Trennung können branchentypische Reparatur- und Änderungsaufträge in einem separaten Maschinenpark bearbeitet werden, der ausreichend Kapazität vorhält. Die restlichen – planbaren – Aufträge werden durch die unplanbaren Arbeitsumfänge nicht mehr gestört. Dadurch wird der Werkzeugbau Herr über Auslastung und Flexibilität.

Trends µ-genau

Erfolgsbeispiel Welser Profile Deutschland

Das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen unterstützt Werkzeugbaubetriebe bei der Gestaltung eines effizienten Fertigungslayouts. Dabei hat sich ein Vorgehen bewährt, das auch innerhalb eines Projekts mit dem Unternehmen Welser Profile Deutschland angewendet wurde.
Zielsetzung war die Entwicklung eines prozessflussorientierten Werkzeugbaulayouts zur Erhöhung der Effizienz und Transparenz im Werkzeugbau. Ausgangspunkt war eine intensive Untersuchung des Status-Quo der Leistungsfähigkeit des Werkzeugbaus mit dem Ziel, detaillierte Stärken und Schwächen der Prozesse und eingesetzten Ressourcen abzuleiten. Aufgrund dieser grundsätzlichen Leistungsbewertung sowie der Untersuchung des aktuellen Layouts konnte der Ist-Zustand im Betrieb beurteilt werden. Die identifizierten Verbesserungspotenziale wurden bei der anschließenden Ausgestaltung verschiedener neuer Layout-Szenarien berücksichtigt. Die einzelnen Szenarien wurden intensiv mit den Mitarbeitern des Unternehmens diskutiert, um iterativ die beste Lösung zu bestimmen.
Im Zuge der Untersuchung des Auftragsspektrums gemäß des Planbarkeits- und des Ähnlichkeitsgrads sowie zuvor bestimmter Zielgrößen wurde das Auftragsspektrum segmentiert. Die definierten Segmente wurden im Werkzeugbaulayout individuell gestaltet. Um ein grundlegendes Verständnis bei allen Mitarbeitern sicherzustellen, wurde ein Regelwerk erstellt, das die Segmentierung erläutert. zudem wurden Verantwortlichkeiten eindeutig definiert.
Über die Segmentierung hinaus erfolgte eine Standardisierung von Fertigungsprozessfolgen auf Bauteilebene. Innerhalb der einzelnen Segmente wurden die Fertigungsmittel gemäß der definierten Hauptprozessfolgen ausgerichtet. Dabei wurden verschiedene Rahmenbedingungen wie bauliche Restriktionen, zukünftige Entwicklungen und Möglichkeiten der Mehrmaschinenbedienung berücksichtigt.
Mit der Umgestaltung des Layouts ergeben sich kürzere, klar zu erkennende Transportwege, ein reduzierter Steuerungsaufwand sowie eine hohe Transparenz der Prozesse. Über die Gestaltung des Layouts hinaus wurde ein neues Planungs- und Steuerungskonzept erarbeitet, das die Adaption nicht wertschöpfender oder nicht standardisierter Prozessschritte mit konkreten Handlungsempfehlungen und Prozessveränderungen aufgreift.
Das Projektergebnis ist ein flussorientiertes Werkzeugbaulayout mit definierten Fertigungsprozessfolgen. Die Umsetzungsphase wurde durch die Erstellung eines Maßnahmeplans unterstützt, in dem Arbeitspakete, Zeitumfänge und Verantwortlichkeiten beschrieben wurden.

Innerhalb der einzelnen Segmente werden Fertigungsmittel gemäß der definierten Hauptprozessfolgen ausgerichtet. Dazu werden Layout-Szenarien erstellt, die anhand qualitativer und quantitativer Kriterien bewertet werden. Die quantitative Bewertung kann beispielsweise anhand von Wegstrecken erfolgen. Anschließend erfolgen Anpassungen an präferierte Szenarien. Die Vorgehensweise ist iterativ und wird mehrfach durchlaufen, bis ein sowohl qualitativ als auch quantitativ optimales Fertigungslayout ermittelt wurde. In Kombination mit einer intuitiven Visualisierung von Fertigungsbereichen und Verantwortlichkeiten sowie definierter Stell- und Wegeflächen wird die Komplexität verringert und die Transparenz deutlich erhöht. Dies ermöglicht die Reduzierung des Steuerungsaufwands sowie des Kommunikations- und Abstimmungsbedarfs zwischen den Mitarbeitern.

Die konkrete Gestaltung des Layouts ist stark von den Prozessen sowie der Größe der Werkzeugbaubetriebe abhängig. Der effiziente Einsatz der Mitarbeiter muss im Werkzeugbau mit einer Mehrmaschinenbedienung adressiert werden, die bei der Layoutgestaltung zu berücksichtigen ist. Zusätzlich ist eine Erweiterbarkeit von Bedeutung, die die Integration zusätzlicher Fertigungsmittel in einer Weise ermöglicht, in der die vorhandene Prozessorientierung bewahrt werden kann.

WZB im Fluss

Darstellung der Materialflüsse in einem typischen Werkzeugbau.
Bilder: WZL

Da die Anpassung des Fertigungslayouts einen massiven Wandel darstellt, ist stets die intensive Einbindung der Mitarbeiter entscheidend. Die Neugestaltung des Layouts erfordert ein gänzlich neues Verständnis der Mitarbeiter. Dieses kann beispielsweise mit einer Simulation relevanter Aspekte mit Hilfe von Lernspielen unterstützt werden.

Profil

Excellence in Production

Der jährlich vom Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen und dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT veranstaltete Wettbewerb ist ein wichtiger Gradmesser, den besten Werkzeugbau im deutschsprachigen Raum zu ermitteln. Der Wettbewerb hat sich in der Branche des Werkzeug- und Formenbaus fest etabliert. Im Jahr 2016 suchen das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen und das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie IPT bereits zum 13. Mal den „Werkzeugbau des Jahres“.

Das Beispiel Welser Profile Deutschland (siehe Kasten Trends µ-genau) zeigt, wie Potenziale zur Steigerung der Transparenz und Effizienz über ein flussorientiertes Werkzeugbaulayout adressiert werden können. Den Schlüssel zum Erfolg bildet die Komplexitätsreduktion, die via Standardisierung und Segmentierung des Auftragsspektrums umgesetzt wird. Die Ausarbeitung eines geeigneten Layoutkonzepts, das die Reihenfolge der Bearbeitungsschritte im Fluss abbildet, ermöglicht die Realisierung eines höchst individuellen Produktspektrums im Einklang mit einer industriellen Auftragsabwicklung.

Kontakt: Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen, www.wzl.rwth-aachen.de

Sie möchten gerne weiterlesen?