Harte Werkzeugschneiden

Das Potenzial des Diamanten ist noch lange nicht ausgeschöpft“, orakelt Werner Becker, Seniorchef der Becker Diamantwerkzeuge GmbH in Puchheim: „Die enorme Leis-tungsfähigkeit der Diamantschneiden wird seit etwa vier Jahren durch zielgerichtete Weiterentwicklungen bei den Schneidengeometrien und bei den Schneidstoffen massiv vorangetrieben.“

Das Ziel für die entsprechenden Anstrengungen ist schlicht die Erhöhung der Standzeiten um das 5- bis 100-fache gegenüber dem heutigen Standard.

Neben dem bekannten monokristallinen Diamant wird heute in rasant steigendem Umfang der CVD-Dickfilmdiamant eingesetzt. Er schließt ideal die Lücke zwischen dem monokristallinen Diamant und dem heute verbreiteten PKD. Jedoch, so Becker, „ist die Entwicklung von solidem PKD-Diamant mit einer um etwa 50 Prozent höheren Temperaturbeständigkeit im Gange und wird voraussichtlich den heutigen PKD komplett ersetzen und dabei auch bei den Standzeiten neue Maßstäbe markieren.“

Trends µ-genau

Polykristalliner Diamant (PKD)
PKD wird synthetisch hergestellt. Die Diamantpartikel, die mit Zufalls­orientierung in einer Metallmatrix gesintert werden, bilden eine extrem harte und zähe Struktur. PKD wird in Zerspanungswerkzeugen verwendet, die etwa eingesetzt werden bei Span-, Faser-, Sperrholzplatten und harten Naturhölzern, für Verbundwerkstoffe mit Metallmatrix, Aluminiumlegierungen, Kupfer, Messing, Bronze, Magnesiumlegierungen, aber auch für Glasfaser, Kohlenstofffaser (Carbon), Kunststoff, Gummi, Keramik- sowie Hartmetallgrünlinge. Stahl indes lässt sich nur selten wirtschaftlich mit Diamantschneidstoffen bearbeiten, da Eisen eine hohe Affinität zum Kohlenstoff hat – bei den hohen Temperaturen in der Bearbeitungszone diffundiert der Kohlenstoff des Diamanten aus.

Laserbearbeitung schafft optimale Schneidenqualitäten
Zusätzlich wird heute die Laserabtragstechnologie für die Herstellung der Schneiden sowohl bei CVD-Dickfilmdiamanten sowie auch bei PKD eingesetzt. Dabei werden optimale Schneidenqualitäten erreicht, die weder mit Schleifen noch mit Feinsterodieren möglich sind. Allein durch diese Lasertechnologie wird eine Standzeitverbesserung um das 3-fache erreicht, ohne die Geometrie zu verändern.

Ein weiterer Quantensprung bei den Diamantschneiden sind nach Beckers Einschätzung die 3D-Spanbrechergeometrien, die ebenfalls mit der neuen Lasertechnologie problemlos hergestellt werden können. Der Einsatz solcher Schneiden steigt weltweit in beachtlichem Umfang, weil damit das bekannte Problem der Fließspanbildung bei allen Diamantschneiden ohne 3D-Spanbrecher ausgeschaltet wird und damit automatisch die Qualität der Produkte wie auch das Zeitspanvolumen gesteigert wird.

„Mit Nachdruck“, betont Experte Becker, „muss darauf hingewiesen werden, dass die monokristalline Diamantschneide mit modifizierten Schneidengeometrien bei professionellem Einsatz und den entsprechenden Anwendungen eine Leistungsfähigkeit erbringt, die kein anderer Diamantschneidstoff heute und in Zukunft auch nur ansatzweise erreicht. Der monokristalline Diamant ist unter diesem Gesichtspunkt mit Abstand der billigste Hightech-Schneidstoff überhaupt.“

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Gelaserte 3D-Spanbrechergeometrien steigern die Produktqualität und das Zeitspanvolumen. (links); Beispiele von Werkzuegen mit hochharten Schneidstoffen (von links): MKD, CBN, PKD, CVD. (Mitte); Flexible Standardlösung aus dem Baukasten: Plan-Eckfräser mit einstellbaren PKD-Kassetten. (rechts)

Standardisierte Schneidplatten
Sebastian Kassner, Product Manager Parting & Grooving der Ceratizit Austria GmbH, Reutte, fasst den aktuellen Entwicklungsstand so zusammen: „Unsere neuesten Entwicklungen in der NE-Metallzerspanung sind hunderte standardisierte PKD-Platten mit Spanleitstufen für alle Anwendungsbereiche.“ Ins Detail geht Aribert Schroth, Produktspezialist für hochharte Schneidstoffe der Hartmetallwerkzeugfabrik Paul Horn GmbH: „Oft ist das Schlüsselelement die Herstellung der Schneiden. Lasertechnologie, Feinfinish, angepasste Mikrogeometrie und aktive Spanlenkung in Verbindung mit innerer Kühlmittelzufuhr sind nur einige der nennenswerten Schlagworte. Für eine genauere Betrachtung müssen die Diamantschneidstoffe differenziert werden.“

Monokristalliner Diamant (MKD) ist der Schneidstoff für die Glanz-, Hochglanz- und Hochpräzisionszerspanung. Der polykristalline Diamant (PKD/CVD-Dickfilm) ist ein Schneidstoff für ein breites Anwendungsfeld. Ein Vorteil ist der gezielte Spanbruch bei Knetlegierungen. CVD-Dickfilm hat im Vergleich zu PKD einen deutlich erhöhten Abrasionswiderstand und somit eine höhere Standzeit. Auch in Bezug auf Wärmeleitfähigkeit und Adhäsionsneigung bietet dieser Diamantschneidstoff klare Vorteile. Lediglich die geringere Bruchzähigkeit schränkt ihn gegenüber PKD ein. Eine Verdrängung ist nicht zu erwarten, jedoch eine breite Ergänzung.

Herbert Volk, Produktmanager Bohren bei der Iscar Germany GmbH, hebt die Vorteile der PKD-Werkzeuge für die Hochleistungszerspanung hervor: „In der zunehmenden Leichtbaustrategie für Hochtechnologiebauteile überzeugen diamantbestückte Hightech-Produkte durch extrem lange Standzeiten bei hohen Schnittgeschwindigkeiten und reproduzierbaren Genauigkeiten.“

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Links: PKD-Werkzeuge zeichnen sich auch im Leichtbau mit Widerstandsfähigkeit und Standzeit aus.
Mitte: PKD-Bohrer für Composite-Werkstoffe. Die PKD-Schneide wird in den Hartmetallkörper eingesintert.
Rechts: PKD-Standardfräser mit und ohne 3D-Spanleitstufe.

Für jeden Anwendungsfall Lösungen aus dem Baukasten
Standardisierte Werkzeugprogramme bieten Lösungen für jeden Anwendungsfall. So besitzen etwa Plan-Eckfräser einstellbare PKD-Kassetten, die mit Hilfe einer Einstellschraube präzise und einfach justiert werden. Aufgrund des optimalen Planlaufs und der stabilen Bauweise sind hohe Vorschübe und extrem lange Standzeiten erzielbar. Gelaserte Spanleitstufen und spezifisch angepasste Schneidkantengeometrien gewährleisten einen prozesssicheren Spanfluss und beste Oberflächengüten.

„Die kontinuierlich steigenden Qualitätsanforderungen der herzustellenden Bauteile lassen sich häufig nur noch durch auf die jeweilige Anwendung optimierte Werkzeugauslegungen realisieren,“ sagt Peter Hedrich, Geschäftsführer der Kempf GmbH: „Die Lasertechnologie wird hier wesentlich dazu beitragen, schärfere und verschleißfestere Schneiden sowie komplexere Werkzeugkonturen realisieren zu können und so weitere Anwendungsbereiche für PKD- und CVD-Schneidstoffe erschließen.“

Faserverbundwerkstoffe nehmen zu
Die aktuellen Entwicklungstrends fasst Dieter Gsänger, Produktmanager Wendeschneidplatten der Wohlhaupter GmbH Präzisionswerkzeuge, so zusammen: „Faserverbundwerkstoffe haben in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Hintergrund dafür ist der starke Trend zum Leichtbau, der ausgehend vom Flugzeugbau auch im Bereich Fahrzeugbau und im allgemeinen Maschinenbau große Bedeutung gewonnen hat. Die Frage der Bearbeitung dieser neuartigen Werkstoffe rückte in den Fokus der Werkzeughersteller. Neuartige PKD-Werkzeuge ermöglichen die wirtschaftliche und prozesssichere Bearbeitung von Faserverbundwerkstoffen wie CFK und GFK.“
Walter Frick

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