Eine Hand berührt einen Bildschirm auf dem Standardisierungssymbole zu finden sind.

Standardisierung ist auch im Werkzeugbau ein großes Thema. - (Bild: AdobeStock/Sikov)

Der wachsende internationale Wettbewerb erfordert von deutschen Werkzeugbaubetrieben, stetig neue Möglichkeiten der Differenzierung zu erschließen. Wertschöpfungsseitig kann dies aufgrund deutlich höherer Faktorkosten gegenüber dem Wettbewerb aus Niedriglohnländern ausschließlich durch eine effizientere und effektivere Leistungserstellung gelingen.

Die Realisierung effizienzspezifischer Potenziale wird u. a. durch systematische Standardisierung ermöglicht. Bedingt durch den Unikatcharakter der Werkzeuge und Formen können klassische Standardisierungsmethoden jedoch nicht ohne Weiteres auf den Werkzeugbau übertragen werden. Mithin wird Standardisierung im Werkzeugbau meist nicht ganzheitlich adressiert.

Aufgrund vermeintlicher Geschwindigkeitsvorteile erfolgt die Konstruktion von Neuwerkzeugen gegenwärtig oftmals auf Basis von Altkonstruktionen. Zudem existieren keine einheitlichen Dokumentationsstandards und Konstrukteure nutzen häufig ihre eigenen, individuell erstellten Konstruktionsstandards. In der Folge entstehen fortlaufend neue Varianten, sodass die Varianz unnötig erhöht wird und die Komplexität steigt. Die Ursachen eines geringen Standardisierungsgrads werden häufig in der Werkzeugkonstruktion identifiziert. Die Auswirkungen beeinflussen jedoch sämtliche Folgeschritte im Herstellungsprozess

Reduzierung der Varianz durch Standardisierung

Die hohe Varianz im Herstellungsprozess resultiert oftmals in geringer Transparenz, vermeidbarer Verschwendung, erhöhter Fehleranfälligkeit sowie langen Durchlaufzeiten. Eine Reduzierung dieser Varianz lässt sich im Werkzeugbau ausschließlich durch systematische Standardisierung realisieren.

Ganzheitliche Standardisierungskonzepte befähigen Werkzeugbaubetriebe darüber hinaus zur Reduzierung von Durchlaufzeiten in der Konstruktion sowie zum Einsatz wiederverwendbarer CAM-Programme für Standardkomponenten in der Fertigung. Weiterhin lässt sich die Fehleranfälligkeit in Fertigungs- und Montageprozessen durch Realisierung von Wiederholungseffekten zum Teil signifikant reduzieren. Auch über den eigentlichen Herstellungsprozess hinaus können Potenziale erschlossen werden – beispielsweise durch vermehrte Beschaffung von Gleichteilen im technischen Einkauf.

Die von der WBA Aachener Werkzeugbau Akademie GmbH (WBA) entwickelte und in der Praxis erprobte Methodik ermöglicht es, vorhandene Standardisierungspotenziale auch in der durch den Unikatcharakter der Erzeugnisse geprägten Branche Werkzeugbau systematisch und nutzenstiftend zu realisieren

Zu Beginn der ersten Phase erfolgt eine Analyse des unternehmensspezifischen Produkt- und Werkzeugspektrums. Durch Definition von Kriterien wie Quantität, Komplexität und Homogenität der Werkzeugtypen werden diese systematisch klassifiziert. Abhängig von dem typenspezifischen Standardisierungspotenzial wird zudem der Betrachtungsfokus definiert. Anschließend werden die Produktionsressourcen analysiert, auf denen die betrachteten Werkzeuge im Produktionsbetrieb eingesetzt wurden. Die Schnittstelle zwischen Produktionsressource und Werkzeug ist entscheidend für die spätere Definition einheitlicher Standards. Weiterhin erfolgt eine mikro- und makrogeometrische Analyse sämtlicher Baugruppen und Komponenten hinsichtlich der Maße und verwendeter Werkstoffe.

Wie die Visualisierung der Varianz gelingt

Basis für diese Analyse sind Stücklisten der betrachteten Werkzeuge sowie die spezifischen technischen Zeichnungen. Durch systematische Analyse der diversen Komponenten kann die vorherrschende Varianz visualisiert werden, um erste Potenziale für die Definition einheitlicher Standards zu identifizieren. Entscheidend für die Aussagekraft ist die Qualität der vorliegenden Datenbasis.

Basierend auf der Analysephase werden in der zweiten Phase spezifische Standards entwickelt. Zur Sicherstellung der Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Werkzeugen sind zunächst ein oder mehrere charakteristische Werkzeugaufbauten zu definieren. Diese dienen als Basis für die Entwicklung eines ganzheitlichen Standardisierungskonzepts. Oftmals bietet sich ein Grundaufbau an, der verschiedene Varianten mit entsprechenden konstruktiven Vorgaben berücksichtigt.

Mithilfe der identifizierten Potenziale können anschließend Standards für Baugruppen und Komponenten definiert und im charakteristischen Werkzeugaufbau abgebildet werden. Die Definition der Standards erfolgt durch Reduzierung der Variantenvielfalt, die historisch aus der individuellen Gestaltung der Konstruktion gewachsen ist. Nicht zu vernachlässigen sind in diesem Schritt die Einbindung relevanter Mitarbeiter.

Gemeinsam mit diesen muss eine einheitliche Nomenklatur definiert werden, um zukünftig unterschiedliche Benennungen in Zeichnungen und Stücklisten zu vermeiden. Außerdem wird in diesem Schritt sichergestellt, dass definierte Standards in Zukunft reproduzierbar sind und dass diese bereits spezifischen CAM-Programmen zugeordnet werden. Anschließend bedarf es der Erarbeitung eines Regelprozesses zur Anwendung des Standardisierungskonzepts. Dieser soll sicherstellen, dass zukünftig in den einzelnen Prozessschritten definierte Standards und Regeln eingehalten werden. Hierzu zählt auch die systemseitige Abbildung in CAD-, CAM- und Planungssystemen

Die letzte Phase dient zur Implementierung des Standardisierungskonzepts. Zunächst wird den Mitarbeitern die Anwendung des erarbeiteten Konzepts sowie dessen Mehrwert durch entsprechende Schulung vermittelt. Eine frühzeitige Integration der Mitarbeiter ermöglicht die Erhöhung der Mitarbeiterakzeptanz. Diese stellt einen entscheidenden Erfolgsfaktor für die nachhaltige Implementierung des neuartigen Konzepts dar.

Weiterhin bedarf es der systematischen Entwicklung einer Umsetzungsroadmap, in der sowohl Teilarbeitspakete und Meilensteine als auch entsprechende Verantwortlichkeiten für die Umsetzung klar definiert sind. Durch iterative Anwendung der Methodik kann weiterhin sichergestellt werden, dass das Standardisierungskonzept kontinuierlich weiterentwickelt wird.

Für Werkzeugbaubetriebe sind die Schnelligkeit am Markt sowie die preisliche Wettbewerbsfähigkeit die wichtigsten Differenzierungsmerkmale. Die Standardisierung von Werkzeugen stellt in diesem Kontext einen der größten Stellhebel dar, erfordert jedoch einen hohen Aufwand. Die WBA unterstützt regelmäßig Werkzeugbaubetriebe bei der systematischen Werkzeugstandardisierung. Erfolgreich durchgeführte Projektbeispiele können Sie der Internetseite der WBA entnehmen.

Sie möchten gerne weiterlesen?