WBA datenbasierte Dienstleistungen anhand der Data-Analytics Reifegradstufen

Beispiele datenbasierter Dienstleistungen anhand der Data Analytics-Reifegradstufen (Abbildung 1). – (Bild: WBA)

Die anhaltenden Vorteile aufstrebender Wirtschaften hinsichtlich Lohnstückkosten führen seit Jahren zu steigendem Wettbewerbsdruck in westlichen Industrienationen. Qualitative Vorteile etablierter Anbieter nehmen gleichzeitig sukzessive ab, so dass Qualität als alleiniges Differenzierungsmerkmal zukünftig nicht mehr ausreichen wird, um sich langfristig vom internationalen Wettbewerb abzugrenzen. Diese Entwicklung betrifft insbesondere die Branche Werkzeugbau, die sich in der Vergangenheit vor allem über Qualitätsmerkmale vom internationalen Wettbewerb absetzen konnte.

Zur aktiven Gestaltung dieses Wandels agieren erfolgreiche Werkzeugbaubetriebe nicht mehr nur als "reine" Werkzeughersteller, sondern treten vermehrt als produzierende Dienstleister durch bedarfsgerechte Kombination von Werkzeug und Dienstleistung auf. Zur weiteren Steigerung des Kundennutzens muss sich der Werkzeugbau in Zukunft als ganzheitlicher Lösungslieferant durch das Anbieten intelligenter Produkte und datenbasierter Dienstleistungen am Markt positionieren (siehe Abbildung. 1).

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Als Beispiel erfolgreicher datenbasierter Dienstleistungen ist die Tool-Service-Management-Plattform (TSM) der Sauer & Sohn Formentechnik zu nennen. Mit der Plattform bietet das Unternehmen eine datenbasierte Dienstleistung der Descriptive Analytics an, mit Hilfe derer Serviceaufträge angelegt, echtzeitnah verfolgt und die Wartungs- sowie Servicehistorie des Werkzeugs analysiert werden können. Als webbasierte Lösung ist für die Plattform keine Installation oder Konfiguration auf Kundenseite erforderlich. Der Zugang wird über internetfähige Geräte realisiert, die Dateneingabe erfolgt per Webbrowser. Zukünftig sollen ebenfalls Daten intelligenter Werkzeuge eingebunden werden. Durch die signifikant verbesserte Transparenz des Werkzeuglebenszyklus kann eine nachhaltige Differenzierung vom Wettbewerb geschaffen werden.

Nutzung von Werkzeug- und Produktionsdaten

Durch die intensive Nutzung von Werkzeug- und Produktionsdaten im Rahmen datenbasierter Dienstleistungen können unter anderem Standzeiten erhöht, Fehlerkosten gesenkt, Anlaufzeiten reduziert oder die Ausbringungsmenge gesteigert werden. Im Rahmen der von der WBA Aachener Werkzeugbau Akademie durchgeführten Studie "Intelligente Werkzeuge und datenbasierte Geschäftsmodelle" bewerten 75 Prozent der befragten Werkzeugbaubetriebe den Einsatz von Sensorik und Aktorik im Werkzeug mit einer Produktivitätssteigerung von mindestens 10 Prozent. Gleichzeitig erwarten die Betriebe durch den Einsatz von Sensorik und Aktorik eine Verkürzung der Anlaufdauer von mindestens 10 Prozent. Trotz der hohen aufgeführten Potenziale bietet bisher allerdings lediglich eine sehr kleine Anzahl an Betrieben entsprechende intelligente Produkte in Kombination mit datenbasierten Dienstleistungen an.

Was sind datenbasierte Dienstleistungen?

Dienstleistungen gelten als datenbasiert, wenn Daten einen signifikanten Anteil zur Erbringung dieser Dienstleistungen darstellen. In Verbindung mit intelligenten Werkzeugen bieten sie die Möglichkeit, Daten echtzeitnah aufzunehmen, zu analysieren und entsprechende Maßnahmen automatisiert abzuleiten. Bereits heute angebotene sowie technisch realisierbare datenbasierte Dienstleistungen können entsprechend der Stufen der Data Analytics in vier Gruppen mit steigendem Kundennutzen abgegrenzt werden. Eine Einordnung möglicher datenbasierter Dienstleistungen im Werkzeugbau wird in Abbildung 2 vorgenommen.

WBQ datenbasierte Dienstleistungen anhand der Data-Analytics Reifegradstufen Abbildung2
Eine Einordnung möglicher datenbasierter Dienstleistungen im Werkzeugbau (Abbildung 2). – (Bild: WBA)

Descriptive Analytics

Die "simpelsten" datenbasierten Dienstleistungen sind der Stufe der Descriptive Analytics zuzuordnen und basieren auf der Gewinnung von Daten, um Transparenz über bestimmte Vorgänge im Werkzeug zu erzeugen. In Kombination mit im Werkzeug implementierter Sensorik und einer unternehmensübergreifenden Datenplattform sind die ortsunabhängige Bereitstellung und Überwachung bestimmter Werkzeugparameter (beispielsweise Druck, Temperatur oder Werkzeugbewegungen) möglich.

Diagnostic Analytics

Die zweite Stufe stellen die Diagnostic Analytics dar. Über die reine Datentransparenz hinaus basieren Dienstleistungen dieser Stufe auf der sinnvollen Verknüpfung von Daten, um Korrelationen und Ursache-Wirkungs-Beziehungen aufzuzeigen. Somit kann das Verständnis über Produktionsprozesse und innere Wirkvorgänge im Werkzeug signifikant verbessert werden. Dies kann zum Beispiel dazu dienen, die Suche nach Fehlerursachen oder Verbesserungspotenzialen zu vereinfachen.

Predictive Analytcis

Auf der dritten Stufe werden Dienstleistungen der Kategorie Predictive Analytcis abgebildet. Entsprechende datenbasierte Dienstleistungen dieser Art gehen über die Erfassung und Analyse gegenwärtiger Zustände hinaus. Die historischen Daten werden genutzt, um Modelle zu bilden, welche die Prognose zukünftiger Zustände ermöglichen. Werkzeugbaubetriebe können dadurch Werkzeugverschleiß frühzeitig erkennen und somit Maßnahmen ergreifen, um werkzeugbedingte Produktionsausfälle zu vermeiden.

Prescriptive Analytics

In der höchsten Stufe, der Prescriptive Analytics, werden die Prognosemodelle zu Entscheidungsmodellen erweitert. Dies bedeutet, dass Zustände nicht nur prognostiziert, sondern Maßnahmen zur Erreichung eines Zielzustands automatisiert eingeleitet werden können. Intelligente Werkzeuge können dadurch selbstlernend und selbstoptimierend agieren. Entsprechende Dienstleistungen bedürfen im Vergleich zu den bisher beschriebenen Dienstleistungen ebenfalls einer im Werkzeug verbauten Aktorik und Regelungstechnik. Zudem ist die Implementierung von zugehörigen Entscheidungsmodellen nötig, welche Prozessparameter des Werkzeugs automatisch anpassen beziehungsweise entsprechende Handlungsempfehlungen aussprechen.

Zur Implementierung entsprechender Dienstleistungen ist neben der Integration entsprechender Sensorik und Aktorik ins Werkzeug ebenfalls der Aufbau von Kundenplattformen notwendig. Diese werden je nach Ausprägung der datenbasierten Dienstleistung für die reine Darstellung von Informationen, der Abwicklung von Aufträgen oder der Bereitstellung von Entscheidungsunterstützung benötigt. Der initiale Aufbau der Plattform kann durch externe Partner unterstützt oder vollständig übernommen werden. Mittel- bis langfristig sollten entsprechende Hardware- und IT-Kenntnisse jedoch im Betrieb entwickelt werden. vg

Weiterführende Beschreibungen können in der Studie "Intelligente Werkzeuge und datenbasierte Geschäftsmodelle" nachgelesen werden. Diese ist kostenlos auf der Website der WBA Aachener Werkzeugbau Akademie verfügbar.

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