FDM-3D-Drucker produziert weiße Zahnräder.

FDM-3D-Drucker produziert weiße Zahnräder auf blauer Bauplatte aus Kunststofffilament. (Bild: R_boe - stock.adobe.com)

Der Werkzeugbau in Deutschland ist wie alle Branchen zunehmendem Wettbewerbsdruck aus dem Ausland ausgesetzt. Insbesondere die Fertigung in Niedriglohnländern stellt mit zunehmender Qualität der Werkzeuge eine ernstzunehmende Bedrohung für den Werkzeugbaustandort Deutschland dar. Das Qualitätssiegel ‚Made-in-Germany‘ reicht immer seltener als Differenzierungsmerkmal aus.

Werkzeugbaubetriebe suchen daher nach neuen Möglichkeiten, sich von der ausländischen, aber auch von der inländischen Konkurrenz abzugrenzen und entwickeln mithilfe ihrer Erfahrung und Innovationskraft neue Ansätze und Herangehensweisen in der Fertigung ihrer Werkzeuge. Ein solcher Ansatz ist beispielsweise die additive Fertigung von Werkzeugen und Werkzeugeinsätzen.

Grundsätzliche Wirkungsweise

Additive Fertigungsverfahren unterscheiden sich von konventionellen subtraktiven Fertigungsverfahren dadurch, dass sie dem Namen nach Material hinzufügen und nicht Material abtragen. Sie wurden bisher in der DIN 8580 der Fertigungsverfahren nicht besonders ausgeführt. Dies wird nun mit der neu geschaffenen Gruppe 1.10 der urformenden Verfahren in der Neufassung der Norm geändert.

Grundsätzlich lassen sich additive Fertigungsverfahren in die zwei Gruppen der polymerbasierten Verfahren und der metallbasierten Verfahren einteilen. Abhängig vom Grundwerkstoff wird dabei das Rohmaterial in Pulver-, Harz- oder Filament- beziehungsweise Drahtform schichtweise aufgetragen und durch Energieeintrag eine Verbindung zwischen den jeweiligen Schichten hergestellt. Dadurch bieten additive Fertigungsverfahren eine Vielzahl von Vorteilen für die Fertigung.

Endkonturnaher Leichtbau mit 3D-Druck

Der schichtweise Aufbau der Bauteile vereinfacht die Realisierung von Strukturen zur Gewichts- und Materialeinsparung. Zusätzlich können additiv gefertigte Werkzeugeinsätze aus dem Pulver direkt endkonturnah gefertigt werden. Damit reduziert sich das bei konventioneller Fertigung anfallende Zerspanvolumen und ermöglicht trotz der, bei komplexen Geometrien oft notwendigen, Stützstrukturen Potenzial zur Einsparung von Ressourcen. Parallel können so Einsparungen von CO2-Emissionen in der Fertigung realisiert werden, da durch den Wegfall der Zerspanung von teurem Stahl auch der CO2-Fußabdruck des Werkzeugs sinkt. Für additive Fertigungstechnologien spricht somit die Möglichkeit zur Ressourceneinsparung im Bereich der Nachhaltigkeit und die Nutzung von Synergien mit anderen Fertigungstechnologien.

Komplexe Geometrien werden wirtschaftlicher

Darüber hinaus ermöglicht der schichtweise Aufbau der Bauteile auch die Fertigung komplexer Geometrien, welche sich konventionell nicht oder lediglich mit höherem Aufwand realisieren lassen. Konturnahe Kühlkanäle, Hinterschnitte und komplexe Konturen können gefertigt werden, ohne dass die komplexitätsbedingten Kosten signifikant steigen. Auch wenn additive Fertigungsverfahren weniger abhängig von der Komplexität der Bauteile und der zu fertigenden Stückzahl als konventionelle Fertigungsverfahren sind, sollte die Abhängigkeit von Stückzahl und Komplexität der Bauteile zu den Fertigungskosten nicht vernachlässigt werden.

Polymerbasiertes, additiv gefertigtes Spritzgießwerkzeug.
Polymerbasiertes, additiv gefertigtes Spritzgießwerkzeug. (Bild: WBA)

Grundsätzlich erhöht die geometrische Komplexität der Bauteile die Fertigungszeit. Mit zunehmender Stückzahl wird jedoch auch ein größerer Bauraum benötigt, was sich zum Vorteil umkehrt, wenn mithilfe additiver Fertigungsverfahren in Losgröße 1 gefertigt wird. Der Werkzeugbau als Unikatfertiger kann diese Potenziale erschließen und daraus Differenzierungsmerkmale zur Konkurrenz entwickeln. Die Aachener Werkzeugbau Akademie WBA, als Ansprechpartnerin für den deutschen Werkzeugbau, unterstützt bei der Erschließung dieser Potenziale mit der kostenlosen WBA-Publikation ‚Erfolgreich Additive Manufacturing nutzen im Werkzeugbau‘.

Größtes Potential bei metallbasierten Druckverfahren erwartet

Im Rahmen dieser Veröffentlichung wurden durch die WBA die Erwartungen der Werkzeugbaubetriebe in Bezug auf additive Fertigungsverfahren untersucht. Die dazu befragten Betriebe erwarten das größte Potenzial im Bereich metallbasierter additiver Fertigungsverfahren. Den größten Nutzen bemessen sie dabei den additiv gefertigten Werkzeugeinsätzen für das Spritzgießen zu. Aber auch im Bereich der Blechumformwerkzeuge sehen die befragten Betriebe Potenzial. Dazu arbeiten die deutschen Werkzeugbaubetriebe zur Fertigung im Schnitt mit ein bis zwei AM-Dienstleistern zusammen. Die polymerbasierten additiven Fertigungsverfahren finden im Werkzeugbau bisher lediglich im Vorrichtungsbau und für die Fertigung individueller Betriebsmittel Anwendung.

In der Veröffentlichung thematisiert die WBA außerdem alle relevanten additiven Fertigungsverfahren, sowohl aus dem Metall- als auch aus dem Kunststoffbereich. Dabei werden detailliert die jeweilige Prozesskette, die Vor- und Nachteile der Technologien und die relevanten Einflussfaktoren auf Bauteil- und Prozessqualität beleuchtet.

Wirtschaftlichkeitsbereich polymerbasierter additiver Fertigung von Werkzeugeinsätzen.
Wirtschaftlichkeitsbereich polymerbasierter additiver Fertigung von Werkzeugeinsätzen für die Einzel- und Kleinserienfertigung. (Bild: WBA)

Rapid Prototyping und kleine Stückzahlen

Auch wenn polymerbasierte additive Fertigungsverfahren im Werkzeugbau offenbar bisher ein Nischendasein führen, gibt es heute schon Unternehmen, die sie erfolgreich einsetzen. Ihre Potenziale liegen insbesondere im Bereich niedriger Stückzahlen wie im Prototyping und in der Einzel- und Kleinserienfertigung. In diesen Szenarien bieten polymerbasierte, additiv gefertigte Werkzeugeinsätze, wie in Abbildung 2 gezeigt, Preispotenziale gegenüber Aluminiumwerkzeugen und  -einsätzen aufgrund der geringeren Material- und Herstellungskosten, welche sich erst mit zunehmender Stückzahl amortisieren.

Das Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen forscht zur Verwendung von polymerbasierten additiv gefertigten Spritzgießwerkzeugen, unter anderem im Bereich der Temperierung solcher Werkzeuge und der Verwendung von Schiebern und texturierten Oberflächen. Komplexere Anwendungsfälle, größere Werkzeugstandzeiten und kürzere Zykluszeiten sollen so möglich werden.

Die Abbildung über dem Diagramm zeigt ein polymerbasiertes additiv gefertigtes Spritzgießwerkzeug, anhand dessen am WZL der Einfluss von Konzepten zur Temperierung wie die Verwendung metallischer Einleger auf die Wärmeabfuhr aus dem Werkzeug untersucht wurde. Weitere Forschungsarbeiten des WZL im Bereich der polymerbasierten additiven Fertigung von Werkzeugen befassen sich mit Blechumformwerkzeugen für das Biegen und Tiefziehen und dabei beispielsweise mit der Integration von Sensorik zur Aufnahme der Umformkräfte.

Eine ausführliche Untersuchung der Potenziale von additiver Fertigung für den Werkzeugbau, verbunden mit einer Handreichung zur Technologie und der gesamten additiven Prozesskette finden Sie in der kostenlosen WBA Publikation ‚Erfolgreich Additive Manufacturing nutzen im Werkzeugbau‘.

Autoren: Prof. Dr. Wolfgang Boos (MBA, Geschäftsführender Gesellschafter, WBA Aachener Werkzeugbau Akademie); Gerret Lukas (Leiter Industrieberatung – Organisation, WBA Aachener Werkzeugbau Akademie), Tim Ochel (Lehrstuhl für Produktionssystematik, WZL der RWTH Aachen); Matthias Oly (Lehrstuhl für Produktionssystematik, WZL der RWTH Aachen)

Sie möchten gerne weiterlesen?