Grüne Erde. -

Nachhaltigkeit erfordert ein Umdenken in der Industrie. Nur so bleibt unser Planet grün. - (Bild: ©panthesja – stock.adobe.com)

Höchste Zeit also, das eigene Werteverständnis zu überdenken und Unternehmen auf Nachhaltigkeit­ und Automatisierung auszurichten.

Einige sind sich noch gar nicht ganz sicher, ob wir mit den neuen Ausrichtungen für Nachhaltigkeit, Energieeffizienz und Klima überreagieren, andere fordern bereits jetzt eine 0-Emission. Schaut man sich wissenschaftliche Studien an, dann ist die Antwort klar: Wir haben zu spät und nicht konsequent in Richtung Nachhaltigkeit gehandelt und können in einigen Bereichen nur noch den Schaden begrenzen, aber nicht mehr vollständig verhindern. Erste Änderungen wurden in Gang gebracht, aber auch das ist ein Prozess, der einen sinnvollen und stetigen Ablauf benötigt.

So ist die Neuausrichtung auf die Nachhaltigkeit mehr als notwendig und verlangt ein sofortiges Umdenken und Handeln. In den Schulen, Universitäten und in Teilen der Unternehmen wurden bereits erste Weichen gestellt. Für viele noch undenkbar: Die Ausrichtung auf Nachhaltigkeit hat absolute Priorität und das auch vor der Gewinnmaximierung.

Rudolf Hein vom Konstruktionsbüro Hein in Neustadt am Rübenberge erklärt: „Es ist genau diese Ausrichtung, die ein hohes Potential für eine erfolgreiche Neuorientierung von Unternehmen hat. Bedenken Sie nur, zu was uns heute der Corona-Virus zwingt. Die Konsequenzen aus unserem verzögerten Handeln hinsichtlich der Nachhaltigkeit werden langfristig noch umfassender sein.“

Der Markt, und das betrifft nicht nur den Kunststoffsektor, befindet sich in einer Umformung auf die Anforderungen der Nachhaltigkeit und Automatisierung. Hein: „Wir müssen erreichen, dass wenn man zukunftsfähige Produkte in den Markt bringen will, diese zuerst an der Nachhaltigkeit auszurichten sind.“

Rudolf Hein. -
Rudolf Hein vom Konstruktionsbüro Hein - (Bild: Konstruktionsbüro Hein)

„Wir müssen erreichen­, dass, wenn man zukunftsfähige Produkte in den Markt bringen will, diese zuerst an der Nachhaltigkeit auszurichten sind.“

 

Rudolf Hein vom Konstruktionsbüro Hein

In Folge dieser Neuausrichtung auf die Nachhaltigkeit entfallen Herstellungsverfahren und Produkte, wie etwa Verpackungen, die Inhalte größer erscheinen lassen oder in der angewendeten Weise überflüssig sind. Es ist nicht nachhaltig, Waren aus Ländern zu beziehen, die noch nicht über Nachhaltigkeit nachdenken (können). 90 Prozent der Kunststoffabfälle, die vom Landesinneren über Flüsse in die Weltmeere gelangen, stammen aus den zehn großen Flussregionen in Afrika und Asien.

Man sollte nicht zulassen, dass Billigprodukte und Billigwerkzeuge aus Asien importiert werden, ohne die entstandenen Emissionen mit zu bewerten, die unser Klima beeinflussen und unsere Weltmeere verschmutzen. Umgekehrt beeinflusst das auch unseren Export in andere Länder. „Hier kann man die Chance nutzen, und energieeffiziente und nachhaltige Transportwege als Erste zu qualifizieren“, erklärt Hein. „Man denke da an die Luftrotoren, die den Spritverbrauch der Schiffe nachweislich deutlich reduzieren.“

Nachhaltigkeit kann zum Exportschlager werden

Die Nachhaltigkeit könnte also für Deutschland auch ein Exportschlager werden. Nachweisbar ökologisch hergestellte Waren werden energieeffizient produziert und auf energie- und emissionsreduzierten Transportwegen mit hoher Qualität an die Kunden geliefert. Dies hat allerdings auch seinen Preis.

Wie verhalten sich Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen gegenüber erdölbasierenden Kunststoffen, wie positionieren sich diese hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit und welche Nachweise gibt es zur Nachhaltigkeit?

Gregor Jell, Mitglied der Geschäftsführung bei Jell, einem Dienstleistungsunternehmen für die Werkzeug- und Formenbaubranche, setzt sich seit 2019 intensiv mit der Produktion biobasierter Kunststoffe auseinander. Er stellt fest: „Aktuell fehlt der Branche immer noch das Wissen. Biokunststoffe gelten als unattraktiv – preislich, aber auch in ihren Eigenschaften, dass der CO2-Ausstoß oder Giftstoffe mit ihnen reduziert oder fossile Rohstoffe geschont werden können, sehen die wenigsten. Auf dieses Meinungsbild möchten wir zunehmend Einfluss nehmen und leisten deshalb Aufklärungsarbeit.“ beginnt mit der Produktion biobasierter Kunststoffe">Mehr dazu erfahren Sie übrigens im vollständigen Interview mit Gregor Jell.

Trends µ-genau: Innenisoliertes Werkzeugsystem

Innenisolierte Spritzgusswerkzeuge (IsoForm) reduzieren den Energiebedarf für die Temperierung je nach Anwendung auf 1/10 bis 1/20. Zugleich wird der Energiebedarf für den Heißkanal damit ebenfalls deutlich reduziert, weil die konsequente Isolation den Temperaturübergang vom Heißkanal auf das Werkzeug verringert. Wenn auch die Produkte kunststoffgerecht gestaltet sind, ermöglicht diese Innenisolierung laut Rudolf Hein eine hohe Prozessstabilität – wie sie nicht nur für die Automatisierung in der Spritzgussproduktion erforderlich ist. Das gilt sowohl für die thermoplastischen, als auch für die vernetzenden Werkstoffe.

Recyclate sind ein weiteres Thema. Die Stoffkreisläufe müssen kurzfristig ein umfassenderes und konsequenteres Recycling ermöglichen. Dabei ist es das Ziel, den Kunststoff möglichst oft wieder zu verwenden, bis er am Ende thermisch verbrannt wird, so dass abschließend noch die potentielle Energie genutzt werden kann. Bis jetzt trifft das aber nur auf Thermoplaste zu.

„Damit der Verbraucher die nachhaltige Herstellung durch Biokunststoffe und Recycling klar erkennen kann, benötigen wir eine Kennzeichnung ähnlich der Energieeffizienz“, erklärt Hein. „Auch hier sollten Kunststoffinstitute in Deutschland Vorreiter sein, damit wir uns nicht wieder über fragwürdige Vorgaben der EU ärgern müssen. Wir benötigen ein Nachhaltigkeitslabel für die Herstellung des Produktes inklusive der Rohstoffe und eines für den Gebrauch des Produktes und das Recycling.“

Hein betont weiter, dass „durch verbesserte Informationen und Differenzierung das entstandene verzerrte Bild im Bereich der Kunststoffverarbeitung gerade bei jungen Menschen wieder in aller Offenheit und Sachlichkeit korrigiert werden“. Dies sollte seiner Meinung nach mit einem Nachweis der Nachhaltigkeit erfolgen. Für viele Biokunststoffe kann man entsprechende Informationen bereits in der Datenbank „Gabi“ nachlesen und vergleichen.

Nur mit einer nachhaltigen Produktentwicklung sind auch die Folgeprozesse entsprechend konfigurierbar. Das Konstruktionsbüro Hein greift hier auf das simulierte Vorkonzept mit Bauteilanalyse „VorKon“ zurück. Es liefert im frühen Stadium der Produktentwicklung und/oder für die erste Kalkulation wertvolle Hinweise und Vorkonzepte innerhalb weniger Tage.

„Mit VorKon und den nachfolgenden Arbeitsschritten werden die heute oft noch üblichen Fertigungsprobleme präventiv eliminiert. Alles muss also bereits viel früher in der Produktentwicklung bedacht und optimiert werden, denn in der automatischen Werkzeugherstellung und Produktion benötigen wir ein großes Prozessfenster ohne Fehler im Produkt, im Werkzeug oder an der Spritzgussmaschine“, erläutert Hein.

Produkte, die automatisiert werden können, benötigen ein möglichst robustes, kunststoffgerechtes Design. Somit verschieben sich die Prioritäten und die Anforderungen an die Entwickler.

Das sagt die Redaktion: In jeder Krise steckt auch eine Chance

Covid-19 hat gezeigt, wie schnell alles anders sein kann. Anders­ als bei der Pandemie, die uns alle unerwartet getroffen hat, liegen­ die Warn­signale unserer Umwelt klar auf der Hand. Der Großteil nimmt sie jedoch­ immer noch nicht wahr. Dabei könnten sich die Unternehmen das steigende Umweltbewusstsein in der Bevölkerung, Politik und Wirtschaft zu Nutze machen, in dem sie frühzeitig Nachhaltigkeitskonzepte entwickeln. Denn früher oder später werden vor allem Konzerne nur noch mit nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen kooperieren wollen oder dürfen. Als Mitglied der Werkzeug- und Formenbaubranche stehen Sie an vorderster Front, deshalb leisten Sie Ihren Beitrag und verschließen sie nicht die Augen vor dem Klimawandel.

Melanie Fritsch

Nachhaltige Automatisierung sichert Existenz

„Unter der Automatisierung in der Produktion verstehen wir, dass eine Spritzgussmaschine etwa über Nacht drei verschiedene Produkte fehlerfrei anfährt, vermisst und bei Bedarf die Einstellungen über DOE (Design of Experiments) automatisch korrigiert, wenn ein Maß sich in einer Richtung einer Toleranzfenstergrenze nähert“, erklärt Hein. „Natürlich müssen die Spritzgusswerkzeuge, die automatisch gerüstet und angefahren werden können, anders gestaltet sein.“ Eine Teilfüllung im Anfahrprozess muss sicher auf einer Seite fixiert sein und die Auswerfer und Schieber müssen auf die Entformung der Teilfüllungen ausgerichtet konstruiert sein.

„Bevor diese Umstellung in den Abläufen und Verfahren umfassend gelingen kann, muss die Umstellung in den Köpfen der Akteure gelingen“, so Hein weiter. „Die aktuelle Marktsituation dient dazu als unerwünschte Hilfe, denn sie zeigt, dass nur der weiter existieren kann, der sich frühzeitig auf den Weg einer nachhaltigen Automatisierung begeben hat oder begeben wird.“

Weitere Informationen erhalten Sie auch bei Prof. Hans-Josef Endres, Institut für Kunststoff- und Kreislauftechnik Leibniz Universität Hannover, oder Prof. Andrea Siebert-Raths, IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe Hochschule Hannover.

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