Marco Schülken

Marco Schülken, Geschäftsführer Schülken Form GmbH in Thüringen. - (Bild: werkzeug&formenbau)

Herr Schülken, wie kam es zu der Idee, einen neuen Service-Standort in Russland zu etablieren?

Die Grundidee besteht schon sehr lang. Da wir einen bedeutenden russischen Kundenstamm haben, musste ich immer wieder feststellen, dass wir permanent mit Serviceproblemen zu kämpfen hatten. Bisher waren wir gezwungen, alle Leistungen wie auch die Produktion von Ersatzteilen von Deutschland aus zu erbringen. Bis die Werkzeuge repariert und zurück zum Kunden transportiert wurden, verging zu viel kostbare Zeit.

Warum haben Sie sich für die russische Stadt Kazan entschieden?

Es gibt viele Gründe, die für die Hauptstadt der Republik Tatarstan sprechen. Kazan liegt direkt an der Wolga, rund 800 km östlich von Moskau entfernt, und ist ein wichtiger Wirtschaftsstandort und Verkehrsknotenpunkt. Seit nunmehr zehn Jahren beschäftige ich mich mit Russland, der Kultur und Mentalität der Menschen und bin seither regelmäßig vor Ort. Ich habe eine große Leidenschaft für die Stadt entwickelt, die auch touristisch sehr empfehlenswert ist. Einer Umfrage zufolge bietet Kazan sogar die höchste Lebensqualität in Russland. Vor allem die Erdölförderung und Erdgasgewinnung zählen in Tatarstan zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen. Darüber hinaus besteht eine sehr gute Kooperation zwischen den Regierungen von Thüringen und Tatarstan, wovon ich profitieren konnte. Und nicht zuletzt befinden sich viele meiner potenziellen Kunden im Umkreis von Kazan.

Wie haben Sie den Standort für Ihr Serviceteam ausgewählt?

Ich bin in Tatarstan auf eine sehr investorenfreundliche Regierung getroffen, die mir ermöglichte, auf einer Fläche von 430 m² eine nagelneue Fabrikhalle in einem großen Industriepark zu beziehen, in dem die unterschiedlichsten Branchen und Unternehmen vertreten sind. Wir sind im Maschinenbausegment der erste deutsche Produktionsbetrieb, der sich dort angesiedelt hat. Die Rahmenbedingungen waren fair und durchaus lukrativ. Ich hätte es definitiv bereut, wenn ich diesen Schritt nicht gegangen wäre.

Bieten Sie dort nur Service an, oder produzieren Sie auch?

Wir sind im September 2016 mit dem Projekt gestartet, um den Servicebedarf vernünftig abzudecken und um Ersatzteile vor Ort herstellen zu können. Dafür beschäftigen wir bislang zwei russische Techniker. Jedoch planen wir für nächstes Jahr, mit einfachen Spritzgießwerkzeugen auch in Kazan in Produktion zu gehen. Für diesen Zweck haben wir die Fertigungshalle bereits mit ausgemusterten, aber noch guten Erodier-, Schleif- und Fräsanlagen aus unserem deutschen Betrieb ausgestattet. Die hochkomplexen Spritzgussformen werden aber weiterhin in Deutschland fertiggestellt, daran wird sich nichts ändern.

Es war sicher nicht leicht, qualifiziertes Personal zu finden ...

Sogar unglaublich schwer. Bereits Anfang 2016 habe ich mehrere Personalagenturen in Russland mit der Suche beauftragt. Das Problem ist, dass es die klassische Ausbildung zum Werkzeugmacher dort nicht gibt. Dementsprechend suchten wir nach Fachkräften, die in der Vergangenheit zumindest schon mit Spritzgusswerkzeugen gearbeitet haben. Das ist uns dann auch gelungen. Sowohl ich als auch die Mannschaft in Deutschland, die im ständigen Austausch mit den russischen Mitarbeitern steht, sind sehr zufrieden mit der Qualität. Unsere beiden Techniker sind sehr wissbegierig, lernfähig und passen auch alterstechnisch exakt in unser Team. Des Weiteren ist ihr Englisch hervorragend, was die Kommunikation einfach macht.

Gibt es Schulungsmaßnahmen für die russischen Mitarbeiter?

Die gibt es. Zum Beispiel haben die beiden bei uns in Deutschland ein Training absolviert. Außerdem erhalten sie in der Einarbeitungsphase ständig Unterstützung per Telefon, ­Skype, E-Mail oder auch durch einen Besuch vor Ort. Ein Direktflug von Frankfurt nach Kazan macht das binnen vier Stunden möglich und extrem leicht. Die Infrastruktur ist hervorragend und zudem nach europäischem Standard. Man darf nicht vergessen, dass die russischen Techniker für einen deutschen Werkzeugbau arbeiten, den es so in Kazan noch nicht gegeben hat. Deshalb bekommen sie von uns maximale Hilfestellung.

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