Mehrkomponentenform

Die Formenbauer bei P&G sind auf die Fertigung von Ein- und Mehrkomponentenformen, Multikavitäten-, Etagen-, Heißkanal- und Ausspindelformen unter anderem für die Verpackungsindustrie spezialisiert. - (Bild: werkzeug&formenbau)

Angesichts des globalen Wettbewerbs wird es für Werkzeug- und Formenbauten immer wichtiger, ihre vorhandenen Kapazitäten optimal auszulasten. Da jedoch viele Unternehmen nicht über die technischen Mittel verfügen, ihre Maschinendaten digital zu erfassen, lässt sich die Poduktivität des eigenen Betriebs für die Verantwortlichen oft nur schätzen.

Das Video zum "Machine Spector" sehen Sie am Ende des Beitrags.

beliebige Reports
Neben Produktions- und Programmlaufzeiten werden auch Stillstandzeiten erfasst. Alle Daten können in beliebigen Reports ausgegeben werden. - (Bild: werkzeug&formenbau)

Das können auch die Formenbauer bei Pfletschinger & Gauch (kurz: P&G) in Plochingen bei Stuttgart so bestätigen. "Um einen Eindruck über die Entwicklung unserer Maschinenlaufzeiten zu gewinnen, notieren sich unsere Mitarbeiter seit rund sieben Jahren fortlaufend die aktuellen Spindelstunden, die sie von den Steuerungen ablesen", berichtet Geschäftsführer Michael Gauch. "Damit wir kostengünstig produzieren können, kommen wir an einem ausgelasteten Maschinenpark nicht vorbei – aus diesem Grund spielen Maschinenlaufzeiten für uns eine entscheidende Rolle."

Daniel Sapundziev (rechts) und P&G-Geschäftsführer Michael Gauch
Daniel Sapundziev, Abteilungsleiter Industrie 4.0 bei Gindumac (rechts), tauscht sich regelmäßig mit P&G-Geschäftsführer Michael Gauch und seine Kollegen aus, um die App weiter zu optimieren. - (Bild: werkzeug&formenbau)

Um die Leistungsdaten künftig nicht mehr in vollem Umfang manuell, sondern mit einer cloudbasierten Applikation zu erfassen, arbeiten die Formenbauer seit März diesen Jahres gemeinsam mit dem Start-up-Unternehmen Gindumac an der Software "Machine Spector". Als Pilotprojekt soll die erste Industrial-Internet-of-Things-Lösung des Softwarespezialisten speziell für das Echtzeit-Monitoring von Gebrauchtmaschinen für den Markt erprobt und weiter optimiert werden.

Profil

Pfletschinger & Gauch GmbH

Das Familienunternehmen mit mehr als 60 Jahren Erfahrung wird heute in der dritten Generation geführt. Der 54 Mitarbeiter große Formenbau (davon 6 Auszubildende) am Standort Plochingen bei Stuttgart ist spezialisiert auf die Fertigung von Ein- und Mehrkomponentenformen (2K/3K), Multikavitäten-, Etagen-, Heißkanal- und Ausspindelformen. Dabei liegt der Fokus auf komplexen Formen für Kunststoffteile mit hohem optischen Anspruch in großen Stückzahlen. Die Spezialisten verfügen über umfassende Erfahrung im Bereich Formen mit konturnaher Kühlung und moderner Werkzeug-Beschichtungstechnologie und bilden die gesamte Prozesskette im eigenen Haus ab. Die Kunden stammen unter anderem aus der Medizin-, Verpackungs- und Kosmetikindustrie sowie dem Automotive- und Elektrobereich.

Spezialisten im Gebrauchtmaschinenhandel

Gindumac hat im Gebrauchtmaschinenhandel erfolgreich Fuß fassen können und operiert weltweit mit einem weitreichenden Netzwerk aus Gebrauchtmaschinenexperten, deren Büros in Deutschland, Spanien und Indien sind. "Als wir zwei unserer in die Jahre gekommenen Werkzeugmaschinen verkaufen wollten, besuchte uns Daniel Sapundziev, Abteilungsleiter Industrie 4.0 bei Gindumac, für einen routinemäßigen Qualitätscheck vor Ort", erklärt Gauch. "Dabei berichtete er uns von der Softwarelösung Machine Spector, die sofort unser Interesse geweckt hat."

Dank Machine Spector und dem Einsatz spezieller Sensorik und Gateways ist es möglich, alle bewährten Gebrauchtmaschinen zusammen mit leistungsfähigen Neumaschinen zu betreiben. Steuerungs- und herstellerunabhängig werden dabei Leistungsdaten mittels geeigneter Algorithmen in einer Online-Applikation aggregiert, analysiert und klassifiziert. So können alle Daten zeitlich und örtlich flexibel in einem individualisierten digitalen Dashboard aufgerufen, ausgewertet und zur Verfügung gestellt und exportiert werden – und das auf allen digitalen Endgeräten.

Michael Gauch

"Wir wollen mit der App in erster Linie herausfinden, ob unsere Prozesse passen und ob wir unsere Maschinenkapazitäten optimal nutzen. Später wird interessant sein, den Vergleich zum Branchendurchschnitt anzustellen." Michael Gauch, Geschäftsführer Formenbau Pfletschinger & Gauch (Bild: werkzeug&formenbau)

Bei P&G werden derzeit die Daten von vier Fräsmaschinen, darunter eine POSmill E 1100 mit Sechsfach-Palettenwechsler, ausgelesen und automatisch erfasst. Alle vier Testmaschinen verfügen über Heidenhain-Steuerungen. Nächstes Projektziel ist, die Online-Applikation auch auf weiteren drei Senk- und drei Drahterosionsanlagen zu installieren.

Dank Machine Spector erhalten die Formenbauer sowohl Auskunft über Produktions- und Programmlaufzeiten als auch über Vorschubgeschwindigkeiten oder Stillstandzeiten. Ebenso können Störungen und Fehler an der Maschine oder Not-Aus-Warnungen über Push-Notifikationen an die Maschinenbediener in Echtzeit kommuniziert werden.

Individuelle Datenauswertungen möglich

"Es lassen sich beliebige Zeitpunkte auswerten, genauso aber auch Reports über beliebige Zeiträume erstellen", erklärt Gauch. "Wir wollen mit der App in erster Linie herausfinden, ob unsere Prozesse passen und ob wir unsere Maschinenkapazitäten optimal nutzen. Später, wenn wir die Maschinendaten über einen längeren Zeitraum aufgenommen haben, wird ebenfalls interessant sein, den Vergleich zum Branchendurchschnitt anzustellen."

Die Spezialisten bei P&G benötigen übrigens zum Auslesen der Daten keine zusätzliche Hardware, da sie einen sicheren Virtual-Private-Network-Tunnel (VPN) nutzen, also ein virtuelles, privates und in sich geschlossenes Kommunikationsnetz. Die Softwareentwickler stellen damit sicher, dass der Maschinenpark durchgängig verbunden und die Datensicherheit gewährleistet ist. Die Softwareentwickler bei Gindumac achtet sehr darauf, dass das Datenhandling gesetzeskonform vonstattengeht. Sie fungieren als Datenverwalter, während der jeweilige Software-User Besitzer seiner eigenen Daten bleibt. Um die Sicherheit der Daten gewährleisten zu können, werden alle Daten mit Machine Spector verschlüsselt übertragen. Darüber hinaus unterhält jeder Software-Anwender eine separate Datenbank, womit auch eine strikte Trennung der Daten garantiert wird.

Das sagt die Redaktion

Hersteller- und steuerungsunabhängige Lösung

Die Maschinendatenerfassung an hochtechnolgischen Neumaschinen ist nichts Neues. Wohl aber an Gebrauchtmaschinen. Das besondere an der Softwarelösung Machine Spector ist, dass sie zum einen hersteller- und steuerungsunabhängig ist und zum anderen nicht vom Anwender instandgehalten werden muss. Die Daten werden automatisch aufgenommen und über eine Cloud gespeichert. Die Applikation befindet sich derzeit noch in der Pilotphase. Neben P&G gibt es weitere Unternehmen, die ihre Entwicklung und Optimierung erheblich vorantreiben. Mittlerweile hat Gindumac das Echtzeit-Monitoring auf unterschiedlichsten Maschinensteuerungen realisiert, darunter Siemens, Heidenhain, Fanuc, Vollmer oder Haas. Melanie Fritsch

Datenschutzkonformes Handling garantiert

Die Formenbauer aus Plochingen fertigen alle Komponenten ihrer maximal 1000 x 800 mm großen bis zu 3 t schweren Spritzgussformen nach einem strikten Arbeitsplan. Alle Leistungsdaten werden so mit einer Zahlenkombination in der Software hinterlegt, die sich bei P&G beispielsweise aus folgenden Posi­tionen zusammensetzt: Bezeichnung des Bauteils (Formeinsatz), Auftragsnummer (170586), Stücklistenpositionsnummer (P22) und Arbeitsgangnummer (fürs Fräsen, Schleifen, Erodieren). Gauch erklärt: "Im Endeffekt sind es keine sensiblen Daten, sondern Zahlenkombinationen, mit denen sich etwa für Gindumac nicht nachvollziehen lässt, welcher Kunde oder Ansprechpartner dahinter steckt."

Die Experten bei Pfletschinger & Gauch
Die Experten bei Pfletschinger & Gauch möchten mit der Leistungs­erfassung ihrer Gebrauchtmaschinen einen Überblick über die Effizienz ihres Formenbaus bekommen. - (Bild: werkzeug&formenbau)

Seit der Installation auf den Fräsmaschinen halten die Entwickler kontinuierlich Rücksprache mit den Formenbauern, um die Applikation hinsichtlich Optik, Funktionsfähig- und Benutzerfreundlichkeit weiter zu optimieren und sie auf ihre Wünsche abzustimmen. "Gemeinsam sind uns schon mehrere Software-Optimierungen gelungen. So war es mit Machine Spector anfangs zwar möglich die Programmlaufzeiten automatisch auszulesen und zu analysieren, wann die Maschine gelaufen beziehungsweise stillgestanden ist – jedoch nicht möglich war, diese Daten konkret einem Kunden, einem Programm oder einer Elektrode zuzuweisen", erläutert Gauch. "Auch dazu basieren unsere handschriftlichen Daten bislang lediglich auf Schätzwerten. Wir sind froh, hierfür nun eine Lösung gefunden zu haben."

Im nächsten Schritt möchten die Verantwortlichen bei P&G gezielt die Mitarbeiter für das Thema gewinnen. "Aktuell ist es so, dass wir die Stillstandzeiten unserer Fräsmaschinen zurückgemeldet bekommen. Nicht allerdings die Stillstandsgründe. Um diese Daten detailliert aufschlüsseln zu können, benötigen wir die Mithilfe unseres Fertigungsteams. Sie müssten sämtliche Ausfallgründe etwa aufgrund von Rüstarbeiten oder Werkzeugbruch an der Maschine dokumentieren", meint Gauch. "Unsere Aufgabe wird sein, die Mitarbeiter davon zu überzeugen, dass wir mit dieser Umstellung keine Dauerüberwachung unseres Personals einführen möchten.

Marktgerechte Lösung gesucht

Machine Spector von Gindumac
Mit Machine Spector von Gindumac stehen dem Anwender alle Maschinenleistungsdaten in einem digitalen Dashboard zur Verfügung, abrufbar über alle digitalen Endgeräte. - (Bild: werkzeug&formenbau)

Ganz im Gegenteil, wir wollen im Sinne aller die Effizienz unseres Unternehmens erkennen und anhand der Leistungserfassung herausfinden, wie wir unsere Arbeit weiter optimieren können." Softwaretechnisch sind für dieses Vorhaben alle Voraussetzungen vom Hersteller geschaffen. Lediglich die benötigten Tablets müssen noch im Betrieb installiert werden. Solange sich Machine Spector noch in der Pilotphase befindet, fallen für die Testunternehmen keine Nutzungskosten an. Die Hersteller planen jedoch, die Applikation künftig per Subskription, sprich monatliche Kosten pro Maschine, anzubieten. So halten sich die Spezialisten die Möglichkeit offen, die Software stetig upzudaten, zu skalieren und fortlaufend mit neuen Features auszustatten. nh

Trends µ-genau

Machine Spector von Gindumac

Machine Spector ist Gindumacs erste "Industrial Internet of Things(IIoT)"-Lösung speziell für das Echtzeit-Monitoring von Gebrauchtmaschinen. Mit der Softwarelösung können alle bewährten Gebrauchtmaschinen mit hochtechnologischen Neumaschinen verbunden werden. Die Applika­tion verbindet sich mit der Gebrauchtmaschine über die CNC-Steuerung, Gateways oder speziell entwickelter Sensorik. Im Gateway wie auch in der Cloud werden Maschinendaten durch Algorithmen aggregiert, analysiert und klassifiziert. Alle Leistungsdaten stehen in einem zentralen, digitalen Dashboard zur Verfügung und können über alle digitalen Endgeräte abgerufen werden. Gindumac hat mit Machine Spector eine steuerungs- und herstellerunabhängige Lösung entwickelt, die dank bestimmter Sicherheitsvorkehrungen volle Datenkontrolle bietet.

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